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Eine Höhle in der Steinwand Das wirkliche Tessiner Grotto

Sie sind extrem beliebt bei den Deutschschweizern: Die Grotti der Tessiner. Es sind einfache Beizli, in denen man Sachen wie Polenta oder Würste bestellen und am Steintisch essen kann. Die Grotti, die man heute kennt, haben allerdings nichts mehr mit den ursprünglichen Tessiner Grotti zu tun.

Damals, bis vor rund 70 Jahren, waren Grotti Höhlen in Steinwänden. Dort lagerten Familien Käse, Fleisch und Wein. Eine Gruppe von Einheimischen will diese in Ponte Brolla im Rahmen des geplanten Nationalparks Locarnese wieder aufleben lassen.

Mann sitzt an Steintisch.
Legende: SRF

Der Kopf dieser Gruppe ist Carlo Mina. Erlebt hat er die ursprünglichen Grotti zwar nicht mehr, dennoch fasziniert ihn das Thema. «Grotti waren die Kühlschränke meiner Vorfahren», weiss er. Als dann die elektrischen Kühlschränke aufkamen, hat Minas Familie das Grotto nicht mehr gebraucht.

Sein Steinkeller, genauso wie die rund 20 weiteren rundherum, wüchsen mit Efeu und Moos zu. Viele vergassen das Kulturgut «Grotto». Sehr schade, findet Mina. Seit vier Jahren versucht er die zugewachsenen Grotti von den Pflanzen zu befreien.

Mann in Grube.
Legende: SRF

«Die Gegend hat ihren kulturellen Wert verloren. Das wollen wir ändern. Wir wollen die alten Grotti wieder den Menschen zugänglich machen – den Tessinern und den Touristen», so Mina. Die Grotti seien durch Steinschlag entstanden. Seine Vorfahren brauchten den Raum zwischen den Steinblöcken, die abgebrochen waren, erzählt Mina.

Grotto von innen.
Legende: SRF

Auch die Familie von Vanda Monaco hat ein Grotto. «In den Grotti herrscht ein Mikroklima vor. Im Sommer ist es kühl, im Winter wird es nie allzu kalt», sagt sie. «Es war immer so kühl, dass das Essen nie kaputt ging.»

Eingang zu Grotto.
Legende: SRF

Darum waren die ursprünglichen Grotti auch das ganze Jahr in Betrieb. Wenn es am Wochenende nicht stark regnete, dann sind die Dorfbewohner zu den Grotti, holten Essen aus dem Keller und assen draussen an den Steintischen.

Oder aber man hatte Glück und wurde von einer reichen Patrizierfamilie in ihr Häuschen eingeladen. Der Ort sei jedenfalls sehr belebt gewesen, sagt Monaco.

Steinhäusschen.
Legende: SRF

«Am Sonntag waren immer alle hier. Man hat gegessen und getrunken und Karten gespielt. Mein Mann sagt, dass er nicht mehr zu den Grotti kommen will, weil er seine ganze Kindheit hier verbringen musste.» Die Grotti seien ein wichtiger Begegnungsort gewesen, erzählt Monaco.

Eingang zu Grotto.
Legende: SRF

Dass es bis vor rund 70 Jahren hier laut gewesen sein muss, kann man sich vorstellen, wenn man alle Steinkühlschränke, die Steintische und die Steinhäuschen sieht. Der Ort ist wie eine Reise in die Tessiner Vergangenheit.

Mann sitzt an Steintisch.
Legende: SRF

Mina hofft, dass in nächster Zeit möglichst viele Besucher zu den Grotti kommen werden. Er wünscht sich, dass bald wieder Menschen an den Steintischen essen und miteinander reden – dass der Ort wieder lebendig wird. Angst vor einer lärmigen Touristenhorde hat er nicht.

Steintisch.
Legende: SRF

«Es stört niemanden, wenn es hier ein bisschen lärmig wird. Wir wollen die Grotti zum Leben erwecken.» Überall wo gelebt werde, gäbe es schliesslich Lärm. «Wir freuen uns, wenn unser Kulturerbe Menschen anlockt.»

Bald schon ist auch das letzte Grotto freigelegt. Gut möglich also, dass bald schon zum Beispiel müde Deutschschweizer Kletterer an den Tischen der richtigen Grotti ihr Mittagessen einnehmen, welches sie zuvor in den Steinkühlschränken kaltgestellt haben.

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