Der Nationalrat diskutiert als Erstrat über die Gletscher-Initiative. Es ist eine regelrechte Monsterdebatte: 70 Rednerinnen und Redner haben sich angemeldet. Insgesamt sind acht Stunden für das Geschäft vorgesehen, verteilt auf zwei Tage. Die ersten zweieinhalb Stunden sind vorbei.
SP und Grüne stehen wie erwartet hinter dem Anliegen: «Ein Temperaturanstieg um ein halbes Grad hat riesige Auswirkungen, etwa für den Anstieg des Meeresspiegels», mahnte Bastien Girod (Grüne/ZH). Der Rhonegletscher sei mittlerweile derart geschrumpft, dass er vom Tal her kaum noch zu sehen sei, berichtete Baptiste Hurni (SP/NE). Und 2019 habe das Val-de-Ruz die schlimmsten Überschwemmungen seit je erlebt.
Mit der Initiative ein Pfand in der Hand behalten will die GLP, wie Sprecher Martin Bäumle (ZH) es nannte. Seine Fraktion wolle das Begehren unterstützen, bis sicher sei, dass ein Gegenvorschlag zustande komme, der diesen Namen auch verdiene. Handeln wollen auch die Bürgerlichen, aber nicht mit der Initiative, sondern mit dem weniger scharf formulierten direkten Gegenvorschlag des Bundesrates.
Grünen geht Gegenvorschlag zu wenig weit
Diesen unterstützt auch die SP. Anders die Grünen: Ihnen geht dieser Vorschlag zu wenig weit. Zwar will auch die Regierung das «Netto Null»-Ziel 2050 in die Verfassung schreiben. Fossile Energieträger will sie dabei nicht verbieten, sondern den Verbrauch senken, soweit dies technisch machbar und für Wirtschaft und Sicherheit des Landes vereinbar ist.
Die Mitte-Fraktion wolle mit Rücksicht auf die Berggebiete auf den direkten Gegenvorschlag eintreten, sagte Priska Wismer-Felder (Mitte/LU). «Das Ziel erreichen wir nicht mit einer starren Verbotspolitik», sagte auch Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) im Namen der FDP.
Die SVP-Fraktion ist für ein doppeltes Nein. Christian Imark (SO) sprach von einem «ungeniessbaren Paket». Auf die Schnelle auf Netto Null zu reduzieren, sei für die Schweiz mit erheblichen Risiken und Schwierigkeiten verbunden. Für Therese Schläpfer (SVP/ZH) ist es «überheblich», zu glauben, Menschen könnten Gletscher retten.
Spezifische Hilfe für die Berggebiete verlangt Jon Pult (SP/GR) mit einem Einzelantrag. Für diese dürften keine Ausnahmen geschaffen werden, «als wären sie Hinterwäldler». Vielmehr müsse ihnen geholfen werden, die Dekarbonisierung gleich schnell zu schaffen wie die Menschen im Tal.
Linearer Absenkpfad ist umstritten
Zum direkten Gegenvorschlag liegen mehrere Anträge vor. Umstritten ist zunächst, ob ein linearer Absenkpfad für Treibhausgasemissionen vorgegeben werden soll. So beantragt es der Bundesrat. Der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) ist dies aber zu wenig differenziert.
Sie will das Wort «linear» streichen. Dies mit Blick auf die technische Entwicklung und unterschiedliche Voraussetzungen einzelner Branchen. Eine Minderheit hätte zunächst wie der Bundesrat vorgehen wollen. Sie zog aber ihren Antrag zurück – zugunsten einer von Marco Romano (Mitte/TI) vorgeschlagenen verbindlicheren Formulierung.
Der direkte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative dürfte mehrheitsfähig sein, ist aber nur ein Zwischenziel. Eine Mehrheit des Parlaments bevorzugt einen indirekten Gegenvorschlag, der in der Sommersaison ins Parlament kommt. Der Grund: Er könnte rascher umgesetzt werden und die Chancen stünden besser, dass die Initianten ihre Initiative zurückziehen. Die Debatte geht am Donnerstag weiter.