- Minus 41.8 Grad: Offiziell gilt La Brévine im Jura als kältester Ort der Schweiz.
- Beim Sägistalsee im Berner Oberland wird es jedoch noch kälter.
- Lokale Fischer sorgen sich um den Wirbel rund um den kältesten Ort der Schweiz.
Je kälter, desto besser. Bei grosser Kälte wird es Stephan Vogt warm ums Herz. «Seit meiner Kindheit faszinieren mich kalte Winter», sagt der heute 49-Jährige. Der ausgebildete Klimatologe sucht in seiner Freizeit nach kalten Orten in der Schweiz. Er wurde unter anderem im Berner Oberland fündig.
Die Schweizer Messnetze, wie die von MeteoSchweiz, sind begrenzt und können nicht überall messen. Besonders kalte Orte sind oft nicht abgedeckt. Dank digitalen Karten ist Stephan Vogt vor einigen Jahren auf den Sägistalsee oberhalb des Brienzersees gestossen.
Solche Temperaturen gibt es sonst nur in Skandinavien, Sibirien oder Kanada.
Seine privat betriebene Station hat 2023 minus 42.4 Grad gemessen. Das sorgte für Schlagzeilen. Auch in den letzten Tagen war es teils mit minus 37.8 Grad eisig kalt. «Wer solche Kälte erleben will, muss sonst nach Skandinavien, Sibirien oder Kanada reisen», sagt Vogt.
Die Bedingungen für die Kälte beim See sind ideal. Er liegt auf fast 2000 Meter über Meer, in einer Senke. So kann sich die kalte Luft ansammeln, die Wärme strahlt ungehindert ab.
Rekord oder nicht?
Trotzdem gilt die von Vogt gemessene Temperatur nicht als offizieller Schweizer Kälterekord. «Für Rekorde werden nur Werte aus dem Messnetz von MeteoSchweiz berücksichtigt», erklärt Vogt. Ihn stört das nicht. «Ich erfreue mich einfach an der Kälte – sie ist enorm faszinierend.»
Tatsächlich ist der Winter am Sägistalsee eine besondere Zeit. Die Temperaturen sinken drastisch – eine Herausforderung für die Tiere. Das weiss Fischer Thomas Gerber: «Der See ist sieben Monate gefroren.» Die Fische müssen also einiges aushalten – und eine lange Winterpause einlegen. «Sie fressen nur, was ihnen gerade vor das Maul kommt.»
Im See wurden vor über 100 Jahren Kanadische Seeforellen ausgesetzt. Diese amerikanische Fischart kommt mit der Kälte gut zurecht, so der Präsident des Fischereivereins. Noch heute züchtet der Verein Fische, welche nach ein bis zwei Jahren in den See gebracht werden.
Der See wird – mit einem kurzen Unterbruch – seit 125 Jahren vom Oberländischen Fischereiverein Interlaken gepachtet. Der See gehört zu einer Alp, welche im Besitz der Alpschaft Inner-Iselten ist.
Im Winter ist der See kaum zugänglich, nur mit Schneeschuhen oder Tourenskis gelangt man in das menschenleere Tal. Und dies auch nur, wenn die Lawinengefahr nicht allzu gross ist. In der Vergangenheit war der See auch im Sommer ein exklusiver Ort, der nur vereinzelt von Wanderern besucht wurde.
See wird bekannt
Heutzutage jedoch hat die Popularität stark zugenommen. Besonders junge Leute, die zum Teil mit mehreren Zelten rund um den See campieren, kämen hoch, berichtet Peter Urfer, Vize-Präsident des lokalen Fischereivereins und Kollege von Thomas Gerber.
«Dieses Publikumsaufkommen ist leider häufig negativ», sagt Fischer Peter Urfer. Laute Musik, der Einsatz von Drohnen und ein mangelndes Bewusstsein für die Umwelt hätten die Ruhe gestört. Die Verbreitung durch soziale Medien habe die Situation zusätzlich verschärft.
Der See ist ein Juwel, das es zu schützen gilt.
Die Fischer reagierten erstaunt, als sie vor zwei Jahren hörten, dass «ihr» See der kälteste Ort der Schweiz sein soll. «Vor allem machen wir uns seither Sorgen, dass er noch bekannter wird», so Thomas Gerber. Denn: «Der See ist ein Juwel, das es zu schützen gilt.»