Am Samstag erscheint die letzte Ausgabe der Westschweizer Tageszeitung «Le Matin» auf Papier. Künftig wird die Zeitung nur noch im Internet publiziert. Es sei ein schwieriger und trauriger Moment, die Reaktion werde aber ihre Arbeit bis zum Ende tun, sagt der scheidende Chefredaktor Grégoire Nappey:
«Trauer kann unterschiedlich sein. Wenn jemand stirbt, weil man es erwartet hat, weil er alt war, dann ist dies oft einfacher zu ertragen. Wenn aber ein dramatisches Element dazu kommt, ist es schwieriger. Letzteres trifft auf uns zu.»
Letzte gedruckte Zeitung
Die letzte gedruckte Ausgabe soll etwas Besonderes werden. Sie wird gemäss Nappey eine Zeitung der Leserschaft, die mit Fotos ins Zentrum gerückt wird. Ebenfalls im Fokus steht die Belegschaft, denn jeder Journalist darf sich im Blatt mit einem selbstgewählten Text verabschieden.
«Le Matin» ist die meistgelesene Zeitung der Romandie. In den 1970er-Jahren setzte das Blatt auf investigativen Journalismus. Damals trug sie noch den Namen «Tribune le Matin». Die Boulevard-Themen kamen erst in den 1980er-Jahren.
Tamedia beendete Vermittlung
Der Zürcher Tamedia-Verlag hat am Donnerstag die Vermittlung durch die Waadtländer Kantonsregierung im Konflikt mit den Angestellten für beendet erklärt. Stattdessen wollte sich der Konzern auf ein weiteres Vorgehen mit der kantonalen Schlichtungsstelle für kollektive Arbeitskonflikte konzentrieren. Dabei geht es primär um den Sozialplan.
Allerdings bestreiten Journalisten und Gewerkschaften, dass die Sozialpartner die Mediation in gegenseitigem Einvernehmen verlassen haben, wie dies der Tamedia-Verlag mitgeteilt hat. Der Austritt von Tamedia aus der Mediation sei einseitig und ohne Vorankündigung erfolgt.
Auch die Waadtländer Regierungspräsidentin Nuria Gorrite zeigt sich enttäuscht. Es brauche zur Mediation zwei Partner am Tisch, sagte sie nach dem abrupten Abbruch durch Tamedia. Erst vor einigen Tagen habe man sich geeinigt, Alternativen vertieft abzuklären.
Tamedia begründete die Einstellung der gedruckten Ausgabe von «Le Matin» mit den seit 20 Jahren anhaltenden Verlusten. Im vergangenen Jahr lag das Defizit von «Le Matin» bei rund 6,3 Millionen Franken, über die letzten zehn Jahre gesamthaft bei 34 Millionen Franken.
Eine Institution verschwindet
Für Peter Rothenbühler, der «Le Matin» mehrere Jahre lang als Chefredaktor mitgeprägt hat, verschwindet mit der Printausgabe eine Institution im Welschland. Denn «Le Matin» war in seiner Einschätzung mehr als der «Blick» in der deutschsprachigen Schweiz.
«Er wurde überall und in allen Bevölkerungsschichten gelesen. Und es war die unabhängigste Zeitung, die sich eine gewisse Frechheit erlauben konnte. Auch gegenüber der Regierung, gegenüber den wichtigen Leuten und das haben die Leser geschätzt», erklärt Rothenbühler.
Kleinredaktion für Digital-Ausgabe
Künftig soll die digitale Ausgabe von einer 15-köpfigen Redaktion verfasst werden. Mit der Einstellung von «Le Matin» auf Papier droht 41 Mitarbeitern der Verlust des Arbeitsplatzes.
Der ehemalige Chefredaktor Rothenbühler prognostiziert trotz der Digital-Ausgabe für den «Le Matin» ein Tod auf Raten: «Die Idee, dass der ‹Matin› online weiterlebt, hat keine Zukunft, weil die Redaktion, die dafür zur Verfügung gestellt wird, viel zu klein ist.»
Zudem gebe es schon die grosse Online Redaktion von «20minutes». Und 20minutes online funktioniere sehr gut. «Das wäre eine dumme Konkurrenz, wenn man ‹Le Matin› online weiterleben lassen würde.»