Es ist ein metallisches Ungetüm, das sich auf dem Bözberg in den Untergrund bohrt. Projektleiter und Geologe Michael Gysi von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) erklärt: «Wir wollen ungefähr 1000 Meter in den Boden bohren. Unser Hauptinteresse liegt beim Opalinuston, der liegt circa auf 500 Meter Tiefe.»
Dieses Gestein kommt sowohl unter dem Bözberg vor als auch an den beiden anderen Standorten. Die Nagra ist überzeugt, dass in diesem Gestein der radioaktive Abfall für die nächsten 200'000 Jahre sicher eingelagert werden kann.
-
Bild 1 von 4. Seit Ende April 2020 führt die Nagra auf dem Bözberg Probebohrungen durch. Sie dauern rund ein halbes Jahr. Das Ziel: Die Eigenschaften des darunter liegenden Gesteins genauer untersuchen, weil hier dereinst ein Lager für radioaktiven Abfall gebaut werden könnte. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 4. Michael Gysi ist Geologe und leitet die Probebohrungen auf dem Bözberg: «Wir wollen ungefähr 1000 Meter in den Boden bohren. Unser Hauptinteresse liegt beim Opalinuston – der liegt circa auf 500 Meter Tiefe.». Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 4. An jedem der drei potenziellen Standorte für ein Tiefenlager gibt es lokalen Widerstand. Am Bözberg wehrt sich unter anderem die KAIB («Kein Atommüll im Bözberg») gegen eine Lagerstätte. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 4. Die bisherigen Forschungsresultate der beiden anderen Standorte – im Gebiet Nördlich Lägern und Zürich Nordost – zeigten, dass sie für ein Tiefenlager grundsätzlich geeignet wären, sagt Nagra-Geologe Philipp Senn. Bildquelle: SRF.
Zwei Probebohrungen finden in den kommenden Monaten am Bözberg statt. Seit Ende April laufen die Arbeiten am ersten Bohrplatz. Laufend werden drei Meter lange Bohrkerne an die Oberfläche geholt. «Die Analysen werden zum grossen Teil an der Universität Bern, aber auch in spezialisierten Labors im Ausland durchgeführt», erklärt Michael Gysi. Bis alle Resultate vom Bözberg vorliegen, dauert es noch ein paar Monate.
Beide Standorte würden sich für ein Tiefenlager eignen
An den beiden anderen Standorten, Nördlich Lägern und Zürich Nordost, sind die Bohrungen bereits ausgewertet. Philipp Senn, Geologe und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Nagra: «Wir sehen tatsächlich schon heute gewisse Unterschiede zwischen den Standortgebieten.» So seien die Gesteinsschichten unter- und oberhalb der Opalinustonschicht nicht überall gleich dick. Solche Unterschiede könnten entscheiden, wo ein Tiefenlager gebaut werden sollte, erklärt Senn. Aber schon heute sei klar: «Beide Standorte würden sich für ein Tiefenlager eignen.»
Widerstand gibt es an allen Standorten
In allen drei möglichen Standortgebieten gibt es Widerstand gegen ein allfälliges Tiefenlager. Auch am Bözberg. Fährt man den Bözberg hoch, stehen am Strassenrand grosse, gelbe Plakate mit der Aufschrift: «Kein Atommüll im Bözberg» (KAIB). Dahinter steht ein Verein mit rund 700 Mitgliedern. KAIB-Präsident Max Chopard: «Hier sind wir in einem Gebiet mit viel Wasser und mit geologischen Störungszonen. Da zweifeln wir, ob das wirklich der bestmögliche Standort ist.»
Der Verein stützt sich dabei auf eigene geologische Analysen. Die Nagra widerspricht: Wenn die Region ungeeignet wäre, würden nicht Dutzende Millionen Franken in Bohrungen investiert. Ob der Bözberg besser oder weniger gut geeignet sei als die beiden anderen Orte, wisse man erst in rund zwei Jahren. Dann sollten die drei Standorte anhand der Resultate miteinander verglichen werden können.
Der Verein KAIB bleibt jedoch skeptisch, auch wenn Chopard den laufenden Probebohrungen sogar Positives abgewinnen kann: «Diese Bohrungen könnten tatsächlich Schwierigkeiten bestätigen. Aber das Problem daran ist, dass die Nagra bohrt, auswertet und die Ergebnisse kommuniziert. Wir finden das problematisch.»
-
Bild 1 von 4. Spezialisten aus Grossbritannien führen die Bohrarbeiten im Auftrag der Nagra aus. Fortlaufend entnehmen sie drei Meter lange Gesteinskerne, die anschliessend wissenschaftlich untersucht werden. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 4. Noch auf dem Bohrplatz werden die Bohrkerne von Geologen ein erstes Mal begutachtet. Anschliessend werden die Gesteinsproben für den Abtransport und weitere Untersuchungen bereit gemacht. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 4. Die Bohrkerne werden zersägt und luftdicht verpackt. Der grosse Teil der Analysen findet an der Universität Bern statt. Allerdings werden gewisse Tests auch in hochspezialisierten Labors im Ausland durchgeführt. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 4. Die Bohrkerne werden fein säuberlich archiviert, so dass sie allenfalls auch für spätere Untersuchungen verwendet werden können. An jedem der drei potenziellen Standorte führt die Nagra mindestens drei Probebohrungen durch. Bildquelle: SRF.
Die Nagra wird in rund zwei Jahren einen Vorschlag machen, wo das Lager aus geologischer Sicht am geeignetsten wäre. Anschliessend werden Bundesrat und Parlament über den Standort entscheiden, allenfalls gibt es auch noch eine Volksabstimmung. Fiele der Entscheid für Bözberg, will KAIB das Referendum ergreifen.
Somit ist schon jetzt klar, dass frühestens Mitte dieses Jahrhunderts radioaktiver Abfall in der Tiefe entsorgt werden könnte. Fast 100 Jahre nachdem in der Schweiz das erste Kernkraftwerk ans Netz ging.