Es ist ein langer und schmerzhafter Abstieg, den die 58-jährige Christina A. erlebt hat. «Meine Ersparnisse sind auf null, ich habe alles aufgebraucht,» erzählt sie der «Rundschau», während sie die Möwen am winterlichen Zürichsee mit altem Brot füttert. «Nachdem ich jahrelang alles versuchte, um mich über Wasser zu halten, bin ich jetzt tatsächlich auf dem Sozialamt gelandet.»
Christina A. empfindet es als entwürdigend, dass sie nun bis zur Pensionierung quasi auf Brosamen des Staates angewiesen ist. Obwohl sie gesund und motiviert ist, hat sie keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. So wie ihr geht es inzwischen Zehntausenden in der Altersgruppe der über 50-jährigen.
Markanter Trend bei Sozialhilfezahlen
Die neusten Zahlen des Bundes zeigen, dass über 50-jährige Arbeitslose immer häufiger in der Sozialhilfe landen. 29'200 Personen dieser Altersgruppe waren 2005 Sozialhilfebezüger. 52'200 sind es Ende 2016.
Rechnet man den Effekt des Bevölkerungswachstums heraus, ergibt sich laut Bundesamt für Statistik eine Zunahme von 40 Prozent.
Dies sei ein besorgniserregender Trend, sagt Felix Wolffers, Co-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe Skos. «Der Arbeitsmarkt will offensichtlich ältere Arbeitnehmer weniger als früher», sagt Wolffers. «Damit haben wir ein belastendes Problem für die Gesellschaft und die Sozialhilfe.»
50+: Länger arbeitslos
Der Anteil der über 50-Jährigen in der Bevölkerung wächst zwar ständig. Doch auf dem Arbeitsmarkt sind sie immer weniger gefragt. Sie gelten als zu teuer und der Digitalisierung nicht gewachsen. Zudem holen Firmen viele Arbeitskräfte aus dem Ausland. Aus der Arbeitslosenstatistik allerdings sind die Probleme der älteren Arbeitssuchenden nicht ersichtlich: Die Quote lag 2016 mit 2,8 Prozent bei der Generation 50+ unter dem Gesamtdurchschnitt von 3,3 Prozent.
Dies sei aber ein trügerisches Bild, warnt Felix Wolffers, da Ältere, wenn sie mal arbeitslos sind, viel länger ohne Job bleiben. Die Gefahr ausgesteuert zu werden, ist bei ihnen grösser und die allermeisten Ausgesteuerten erscheinen in der Arbeitslosenstatistik gar nicht mehr. «Ältere Arbeitnehmer sind länger arbeitslos, obwohl sie grosse Erfahrung haben und qualifiziert sind», sagt Wolffers. «Man schätzt ihre Qualifikationen zu wenig und man diskriminiert sie.»
Kampf bis zum bitteren Ende
Auch die 58-jährige Christina A. fand trotz vier Berufsdiplomen und Hunderten Bewerbungen keine Stelle mehr. 2012 hatte sie als Aufseherin und Maltherapeutin eines Gefängnisses die Kündigung erhalten. Diese war missbräuchlich, wie später ein Gericht festhielt. Zwei Jahre suchte sie Arbeit, dann wurde sie ausgesteuert und ergriff die Flucht nach vorne. «Ich liess mir die Pensionskasse auszahlen, um es im Ausland zu versuchen. Ich wollte um keinen Preis aufs Sozialamt,» erzählt Christina A. Tatsächlich fand sie einen Job zum Deutsch unterrichten in Dubai. Doch der Lohn war tief, ihr Erspartes schmolz und sie kehrte mittellos zurück.
Heute muss sie mit monatlich 986.- Franken vom Sozialamt ihre persönlichen Ausgaben decken. Hoffnung auf eine Stelle hat sie kaum noch. Wie so viele Betroffene in ihrem Alter steht sie an der Schwelle zur Altersarmut.