Den Kot und Urin von Kühen in Energie umwandeln – als Niklaus Hari vor dreissig Jahren anfing, an dieser Idee herumzutüfteln, sorgte das in seinem Umfeld für Kopfschütteln. Denn Hari wollte eine kleine Biogasanlage nur für seine zwanzig Kühe bauen. «Ich wurde als Spinner betitelt», erinnert sich der Landwirt aus dem Berner Oberland an die Zeit damals zurück, «gezweifelt habe ich aber trotzdem nie.»
Während Jahren pröbelt und bastelt Hari zusammen mit einem Freund auf seinem Landwirtschaftsbetrieb in Reichenbach (BE). Die beiden Männer bauen verschiedene Anlagen, suchen nach passenden Motoren, beschäftigen sich mit Bakterien und ihren Bedürfnissen. Denn sie sind überzeugt: Mit dem, was die Kühe herauslassen, lässt sich Strom produzieren.
Im Vergleich zu den grossen Anlagen benötigt unsere viel weniger Material.
Der Einsatz lohnt sich, die beiden Männer erreichen ihr Ziel. Mittlerweile ist eine Biogasanlage auf dem Hof von Niklaus Hari in Betrieb, die perfekt funktioniert. Das Besondere ist die Grösse der Anlage. «Wir haben eine Mikrogasanlage gebaut. Im Vergleich zu den grossen Anlagen benötigt unsere viel weniger Material. Der eigene Hofmist genügt. Hauptsache ist, die Kühe scheissen.»
In einem unterirdischen Becken neben dem Stall zersetzen Bakterien die Fäkalien. Das Methangas entweicht nach oben, wird gesammelt und in Energie umgewandelt – und das äusserst effizient: Denn die Anlage liefert mit den Ausscheidungen von zwanzig Kühen Strom für mehrere Haushalte und die Wärme für eine ganze Wohnüberbauung.
Interesse aus dem Ausland
Die Mikroanlage von Bauer Hari und seinem Freund soll als Vorbild für Anlagen auf anderen Landwirtschaftsbetrieben dienen. Das überzeugt auch Energiespezialisten: Im Winter 2020 wurden die beiden Tüftler von der Organisation für Wirtschaft und erneuerbare Energieeffizienz AEE Bern mit dem Berner Unternehmenspreis ausgezeichnet.
Auch im Ausland stösst die Biogasanlage aus dem Berner Oberland auf Interesse: «Leute aus Frankreich, Deutschland, Norwegen und sogar aus Moldawien haben sich bereits bei uns gemeldet», sagt Niklaus Hari.
Durch die aktuelle Energiekrise ist das Interesse an der Anlage noch weiter gestiegen. «So tragisch es auch klingen mag, aber der Krieg in der Ukraine hat einen regelrechten Boom ausgelöst. Immer mehr Landwirtschaftsbetriebe denken über eine eigene, kleine Biogasanlage nach.»
Niklaus Hari wird mit Anfragen überhäuft, seine Beratungen sind gefragt wie noch nie. Das kostet viel Zeit. So viel, dass er seinen Hof mit den Kühen immer mehr seinen Nachfolgern überlässt. Denn nach dreissig Jahren ausprobieren wird für den Tüftler Hari und seinen Freund das Geschäft der Kühe auch tatsächlich langsam zum Geschäft.