Der Hauptsitz von Swissgrid in Aarau. Hier hat die Betreiberin des Schweizer Hochspannungsnetzes die Stromproduktion und den Verbrauch stets im Blick und stellt fest: Es kommt immer häufiger zu heiklen Situationen.
Das liegt an der Energiewende. Über die ganze Schweiz verteilt werden Windräder und Solaranlagen gebaut. Damit gibt es immer mehr kleine, dezentrale Kraftwerke. Zudem sind in den Alpen grosse Anlagen geplant oder bereits umgesetzt worden, wie zum Beispiel das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, eines der grössten seiner Art in Europa. Gleichzeitig wurde mit Mühleberg bereits das erste Atomkraftwerk abgestellt.
Engpässe im Hochspannungsnetz
Dafür ist das bestehende Stromnetz noch nicht bereit. Insbesondere im Hochspannungsnetz gibt es Engpässe. Immer häufiger muss Swissgrid deshalb eingreifen, erklärt Swissgrid-Mediensprecher Kaspar Haffner: «Wenn wir einen Engpass haben, also eine Überlastung einer Leitung oder eines Transformators, können wir auf der einen Seite des Engpasses Kraftwerke anweisen, die Produktion hochzufahren. Auf der anderen Seite sagen wir Kraftwerken, die Produktion herunterzufahren. Wir haben dann noch genau gleich viel Strom im System. Er ist einfach anders verteilt.»
Häufiger in die hiesige Stromproduktion eingreifen muss Swissgrid auch, um die Nachbarländer zu unterstützen. Zuletzt gab es viele Hilferufe aus dem süddeutschen Raum, wo kurzfristig Strom fehlte. Swissgrid reagierte in diesen Fällen und wies Schweizer Kraftwerke kurzfristig an, mehr Strom zu produzieren.
Eingriffe in Stromproduktion kosten
Zahlen, die SRF News vorliegen, bestätigen: Der Aufwand, um den Netzbetrieb zu stabilisieren, steigt. 2019 mussten noch 140 Gigawattstunden Strom eingesetzt werden, damit es nicht zu einem Blackout kommt, im letzten Jahr waren es mit 830 GWh fast sechsmal so viel.
Dass Swissgrid Kraftwerke immer häufiger anweisen muss, kurzfristig mehr oder weniger Strom zu produzieren, kostet. «Es muss der Kraftwerksbetreiber, der seine Last reduzieren muss, entschädigt werden und es muss der Kraftwerksbetreiber, der seine Last erhöhen muss, entschädigt werden. Diese Kosten finden wir als Stromkonsumenten in unserer Rechnung unter der Position Systemdienstleistungen», sagt Stefan Roth, Professor für Erneuerbare Energien an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Im letzten Jahr entstanden so Kosten in der Höhe von fast 11.5 Millionen Franken.
Schnellerer Netzausbau gefordert
Für Experten wie Stefan Roth ist deshalb klar: Das Stromnetz muss schneller ausgebaut werden. Heute dauert es im Schnitt 15 Jahre, bis eine neue Leitung gebaut ist, vor allem wegen Einsprachen. Zu langsam, um mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt zu halten.