«Der Entscheid löst bei mir gemischte Gefühle aus», sagt Barbara Egger, die Energie-, Verkehrs- und Baudirektorin des Kantons Bern. In dieser Deutlichkeit habe sie ihn nicht erwartet. Bisher sei das Kernkraftwerk Mühleberg immer mit befristeten Bewilligungen betrieben worden. «Es ist irgendwie seltsam, dass es nun plötzlich, am Ende seiner Lebensdauer, eine unbefristete Bewilligung erhält.»
Auch dass die gleiche Behörde, das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi, sowohl für die Betriebsbewilligung als auch für die Sicherheitsüberprüfung zuständig sei, löse bei ihr gemischte Gefühle aus.
Das Bundesgericht habe praktisch die gesamte Verantwortung dem Ensi übertragen, sagte der Anwalt der 113 Beschwerdegegner, Rainer Weibel, an einer Medienkonferenz in Lausanne. Damit würden die Anwohner von Mühleberg in die Enge getrieben und zum Schweigen gebracht.
Eine «gefährliche Bastelei»
Man werde jedoch weiter kämpfen, kündigte Weibel an. Direkt nach Fukushima habe das Komitee Mühleberg-Verfahren ein Gesuch um Entzug der Bewilligung für Mühleberg beim Bundesgericht eingereicht. Es bestehe also noch eine Chance.
Linke Parteien bemängeln, das Gericht habe mit seinem Entscheid die Sicherheitsrisiken ignoriert. Die «notdürftige» Behebung der Mängel am AKW Mühleberg sei verschleudertes Geld und eine «gefährliche Bastelei», wird SP-Nationalrat Beat Jans (BS) in einer Mitteilung zitiert.
Ins gleiche Horn stösst die Grüne Partei: Die Risiken eines «nachweislich» mangelhaften Atomreaktors seien untragbar. Die GLP schreibt, das Bundesgericht gewichte offenbar die wirtschaftlichen Interessen des Betreibers und des Kantons Bern höher als die Sicherheit. Der Betrieb über das Jahr 2017 hinaus sei unverantwortlich.
Kritik an «Allmacht» des Ensi
Das Ensi bekomme mit dem Entscheid des Bundesgerichts eine göttliche Allmacht wie im Mittelalter die katholische Kirche, kritisierte auch Jürg Aerni, Vertreter von «Fokus Anti-Atom». Die Richter hätten nur formaljuristisch entschieden und nicht daran gedacht, dass es dem Ensi an Unabhängigkeit fehle.
Ähnlich äusserte sich auch Kaspar Schuler von Greenpeace Schweiz. Es sei erschreckend, dass nun alles beim Ensi liege, obwohl bei allen Katastrophen der menschliche Faktor eine Rolle spiele. Das Ensi sei nicht unfehlbar, betonte Schuler.
An die BWK richte Greenpeace den Appell, dass sie technisch und wirtschaftlich zur Vernunft komme und aufgebe. Ein altersschwacher Reaktor werde nie ein junger Athlet. Wenn die Betreiberin von Mühleberg dies nicht selber einsehe, werde es umso wichtiger, dass das Volk aufstehe und Nein zu Mühleberg sage.
«Seriöse Planung möglich»
Anders beurteilen die bürgerlichen Parteien die Lage. Der Entscheid ermögliche eine seriöse Planung für die AKW-Betreiber, welche Investitionen sich noch lohnten, sagte Nationalrat Lorenz Hess (BDP/BE). Als weiteren positiven Aspekt erachtet Hess die nun geklärte Rollenverteilung über die Zuständigkeit der Sicherheit.
Mit Blick auf die Energiewende sieht sich die FDP darin bestärkt, dass eine Befristung der Laufzeit nicht sinnvoll ist. Die CVP teilt die Meinung. Für die SVP zeigt der Entscheid deutlich, dass die Kontroll- und Aufsichtsinstanzen in der Schweiz die relevanten Aspekte im Bereich der Sicherheit von Kernkraftwerken genügend berücksichtigen würden, schreibt die Partei.
Keine Änderung an BKW-Plänen
Das Bundesgerichtsurteil bedeutet für BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche nicht, «dass der Weg zurück zur Atomenergie wieder offen ist». Das Unternehmen bleibe auf Kurs hin zur Ausrichtung auf erneuerbare Energien.
Die BKW werde bis Ende Jahr alle Fakten abwägen und entscheiden, ob und welche Investitionen in das AKW wirtschaftlich Sinn machten, sagte Gasche. Welche Nachrüstungsmassnahmen für wie viel Geld die BKW plant, könne er derzeit nicht sagen. Wichtig sei, dass die BKW nun wieder ein geordnetes Ausstiegszenario habe.