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Engpässe bei Arzneimitteln Immer mehr Medikamente fehlen immer länger

Lieferengpässe gibt es laut einer Studie bei fast allen Medikamenten. Das könnte zu einem Problem für Patienten werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bis jetzt haben die Spitalapotheken immer eine Lösung gefunden, wenn ein Medikament fehlte.
  • Christoph Meier, Chefapotheker des Basler Unispitals, befürchtet, dass sich die Lieferengpässe verschlimmern könnten.
  • Patienten könnten bei Lieferengpässen nur noch Medikamente der dritten oder vierten Wahl erhalten, warnt Meier.
  • Grund für die Engpässe sind meist die zentraliserten Herstellungsprozesse. Wenn an einem solchen zentralen Ort etwas geschieht, dann kommt es rasch zu einer solchen Verknappung.

In der Schweiz kommt es immer wieder zu Engpässen bei Antibiotika oder Impfstoffen wie der Tollwutimpfung. Wann und wo welche Medikamente knapp werden, dazu gab es jedoch kaum verlässliche Daten. Bis jetzt, denn nun liegt eine neue Studie des Basler Unispitals vor. Sie kommt zum Schluss, dass es Medikamentenengpässe nicht nur bei Antibiotika und Impfstoffen, sondern bei nahezu allen Medikamenten gibt.

Derzeit gibt es in der Schweiz rund 200 Lieferengpässe. Das sei viel, sagt Christoph Meier, Chefapotheker des Basler Unispitals und an der Studie beteiligt. Bis jetzt habe man immer eine Lösung gefunden, wenn ein Medikament gefehlt habe. «Man telefoniert, man faxt, man mailt, man sucht in der ganzen Welt, bei Grossisten, bei anderen Firmen, bei spezialisierten Importeuren, es gibt Zollformalitäten zu erledigen.» Das bedeute einen riesigen Zusatzaufwand für die Spitalapotheken.

Zentralisierte Herstellung

Die Studie zeigt auch, dass die Lieferengpässe immer länger dauern – bis zu einem Jahr. Das habe mit einem der wichtigsten Gründe zu tun, weshalb es diese Lieferengpässe überhaupt gebe, nämlich den zentralisierten Herstellungsprozessen. So könne es sein, dass eine einzige Firma in China ein Medikament für den Weltmarkt herstelle. «Wenn dort etwas passiert, ein Brand zum Beispiel, dann haben wir schnell einen Lieferengpass von einem halben oder ganzen Jahr.»

Es könnte sein, dass Patienten ein Medikament der dritten oder vierten Wahl erhalten, weil nur noch diese erhältlich sind.
Autor: Christoph Meier Chefapotheker Unispital Basel

Hinzu komme, dass der kleine Schweizer Markt nicht zuoberst auf der Prioritätenliste der Pharmafirmen stehe, wenn es eine Knappheit gebe. Meier befürchtet, dass bald nicht nur die Spitalapotheken unter dieser Entwicklung leiden, sondern auch die Patientinnen und Patienten. «Das Problem wird sich in nächster Zeit wahrscheinlich verschlimmern.» Es könne sein, dass Patienten statt eines Medikaments der ersten Wahl eines der dritten oder vierten Wahl erhalten, weil nur noch diese erhältlich seien.

Pflichtlager des Bundes aufstocken?

Entschärfen könnte man die Situation, sagt Meier, wenn der Bund auf Pharmafirmen zugehen und sie, etwa mit finanziellen Anreizen, dazu bringen würde, Medikamente wieder in der Schweiz zu produzieren. Oder – und das ist wohl realistischer – indem man die Pflichtlager des Bundes aufstocke und so auch länger dauernde Engpässe überbrücken könnte.

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