Karin Hurni (40), Reiseberaterin bis Oktober 2020
führt heute im Jobsharing das Sekretariat eines Chefarztes und Medizinprofessors
«Schon als Kind hat es mir gefallen, wenn wir mit den Eltern in die Ferien reisten. Das Meer, andere Länder und andere Sprachen haben mich fasziniert. Ich habe im Reisebüro eine Schnupperlehre gemacht und sofort gewusst, ich will im Reisebüro arbeiten. Die Arbeit im Reisebüro war mein Traumberuf.
Ich durfte über all die Jahre viele Stammkunden gewinnen und ihnen die perfekte Reise zu ermöglichen, war meine tägliche Motivation. Ich war zwanzig Jahre beim gleichen Reiseanbieter und habe auch als Filialleiterin gearbeitet. Vor drei Jahren habe ich zu einem kleineren Reisebüro gewechselt.
Ich persönlich mag Traumstrände. Alles, was an der Wärme ist, am Meer, da hat es mich immer hingezogen. Ich habe diese Länder selbst bereist, oft mit Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich habe auch die Sprachen gelernt, Spanisch zum Beispiel, um mit den Menschen vor Ort kommunizieren zu können.
Ab Februar kam Corona. Dann war nichts mehr wie vorher. Von einem Tag auf den anderen hat sich alles verändert.
Unser Reisebüro ist gut ins Jahr 2020 gestartet. Wir haben viele schöne Reisen verkauft und haben uns auf ein gutes Jahr gefreut. Ab Februar kam Corona. Dann war nichts mehr wie vorher. Von einem Tag auf den anderen hat sich alles verändert. Wir waren sehr beschäftigt mit Umbuchen, Annullieren und Kunden nach Hause holen. Viele Flüge wurden abgesagt. Wir mussten das Geld zurückfordern von den Fluggesellschaften und Reiseanbietern. Wir waren immer zwischen den Kunden und den Leistungsträgern am Vermitteln.
Ab März hatten wir Kurzarbeit und wir haben lange aus dem Homeoffice gearbeitet. Die Arbeit war oft frustrierend und sehr zeitintensiv. Aber die Kundinnen und Kunden waren dankbar, waren wir für sie da.
Auf den Sommer hin sah es wieder besser aus. Wir hatten Kunden, die wieder gereist sind. Wir mussten aber kurzfristig PCR-Tests organisieren. In gewisse Länder konnte man nur einreisen mit einem negativen Test.
Unser Firmeninhaber hat uns immer zugesichert, er stehe zu dieser Firma, er wolle das Geschäft weiterführen und die Arbeitsplätze sichern. Das ging so weiter bis in den Oktober, als die erhoffte Besserung in der Reisebranche nicht eintrat und Kündigungen ausgesprochen werden mussten. Das Büro sollte mit weniger Personal weitergeführt werden. Die letzten drei Mitarbeiterinnen, die in die Firma gekommen waren mussten gehen, dazu gehörte ich.
Am Tag der Kündigung kam eine Hektik auf. Wir haben uns alle getroffen und wussten nicht, was uns erwartet. Es war für uns alle ein Schock.
Am Tag der Kündigung kam eine Hektik auf. Wir haben uns alle getroffen und wussten nicht, was uns erwartet. Es war für uns alle ein Schock. Wir sassen alle am Tisch mit Tränen in den Augen. Wir haben alle gerne für die Firma gearbeitet und waren ein tolles Team. Es war ein trauriger Tag, ich war kurz auch frustriert. Aber schnell kam in mir die Motivation auf, etwas Neues zu suchen und eine Ausbildung zu machen, sollte ich keine Stelle finden.
Ich bin seit sieben Jahren Mutter und habe zwei Kinder. Nach 23 wunderbaren Jahren im Reisegeschäft habe ich schon vor der Krise zu überlegen begonnen, ob ich nochmals so lange im gleichen Beruf bleiben will. Und in der Corona-Zeit, als am Himmel keine Flieger mehr zu sehen waren, kam auch der Umweltgedanke auf.
Ich habe nach der Kündigung auf dem Berufsberatungs- und Informationszentrum Biz in Bern eine Beratung gemacht. Für mich war klar, dass ich mit Menschen arbeiten will. Die Auswertung eines Fragebogens hat gezeigt, welche Berufe hier infrage kommen oder welche weniger.
Gleichzeitig habe ich schon begonnen, mich auf freie KV-Stellen zu bewerben. Ein Spital suchte für einen Chefarzt eine Assistentin. Dies hat mich sehr angesprochen, weil sie eine zweisprachige Person gesucht haben und mich die Arbeit im Spital schon immer interessiert hat. Ich habe dann als Test einen französischen Arztbericht geschrieben und noch zwei Schnuppertage gemacht. Dann erhielt ich die Zusage.
Ich bin heute zufriedener als vor einem Jahr, als die Krise begann. (...) Die Krise hat mir den Anstoss gegeben, meine Komfortzone zu verlassen.
Ich bin heute zufriedener als vor einem Jahr, als die Krise begann. Obwohl ich noch oft an diese schöne Zeit und die lieben Kunden denke, konnte ich abschliessen mit der Reisebranche. Die Krise hat mir den Anstoss gegeben, meine Komfortzone zu verlassen. Ich habe gemerkt, dass es noch etwas anderes gibt, das mich in meinem beruflichen Alltag befriedigt.
Im Sekretariat des Chefarztes habe ich eine abwechslungsreiche Arbeit, in der ich zum Beispiel seine Termine koordiniere, Arztberichte schreibe und mit Patienten Kontakt habe.
Gleichzeitig kann ich bei einem Corona-Antikörper-Forschungsprojekt mitarbeiten. Ist schon speziell, hat mir doch genau Corona meine frühere Arbeitsstelle gekostet. Jetzt bin ich dankbar, dass ich heute einen ganz kleinen Beitrag leisten kann, um die Krise zu bewältigen.»
Theresa Siegrist (61), 19 Jahre Verkäuferin in einem Duty-free-Shop am Flughafen Zürich
seit Herbst 2020 auf Jobsuche
«Ich war 19 Jahre lang Verkäuferin in einem Duty-free-Shop am Flughafen. Ich habe Zigaretten verkauft, Schnäpse, Softdrinks, Schokolade. Aber auch Uhren und die berühmten Schweizer Sackmesser. Am besten verkaufen sich die Zigaretten und natürlich die Spirituosen, die man im Duty-free zu einem vernünftigen Preis bekommt. Die Leute rauchen einfach zu viel.
Ich stamme aus den Philippinen. 1996 bin ich in die Schweiz gekommen. Mein Mann ist Schweizer, wir haben entschieden zu heiraten. Ich habe zuerst als Nanny und Haushälterin gearbeitet. 2001 begann ich am Flughafen als Verkäuferin zu arbeiten.
Ich hatte nie erwartet, dass mir das passiert, nicht nach 19 Jahren Arbeit bei derselben Firma.
Ich habe meinen Job am Flughafen geliebt. Ich arbeitete immer gerne, auch wenn es manchmal hart war. Manchmal haben wir sechs Tage hintereinander gearbeitet. Es gab zwei Schichten. Von sechs Uhr morgens bis um zwei Uhr nachmittags und dann von zwei Uhr bis um Mitternacht.
Bis Mitte April 2020 haben wir noch normal gearbeitet. Der Flughafen war manchmal menschenleer. Keine Flüge, keine Passagiere, die ankamen. Wenn ein Flugzeug landete, waren vielleicht vier Personen drin. Es waren traurige Tage. Im Mai haben wir gar nicht mehr gearbeitet. Im Juni haben wir begonnen, wieder unregelmässig zu arbeiten. Im August habe ich dann fast wieder normal gearbeitet.
Ende August an einem Freitag habe ich dann die E-Mail erhalten, ich solle mich bei den Vorgesetzten melden. Dann haben sie mir erklärt, dass sie die Belegschaft reduzieren müssen. Da haben sie mich entlassen.
Ich kann es nachvollziehen, aber die Kündigung zu akzeptieren fiel mir schwer. Ich hatte nie erwartet, dass mir das passiert, nicht nach 19 Jahren Arbeit bei derselben Firma. Ich habe auch mein Altersgeschenk verloren, dass ich nach 20 Jahren Treue zur Firma erhalten hätte. Ältere Leute wie ich – wir gehen davon aus, dass man uns behält, bis wir pensioniert werden.
Es hat mich verletzt, dass sie mir gekündigt haben. Ich habe der Firma immer gedient. Ich habe von morgens früh bis abends spät nur an die Arbeit gedacht. Mir ging es nicht ums Geld. Man hat mir auch Mutter Theresa gesagt. Die jüngeren Kolleginnen riefen mich sogar Mami. Ich weine manchmal, wenn ich meine Arbeitskolleginnen denke. Sie schreiben mir, sie schicken mir Nachrichten. Ich vermisse sie.
Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als bald eine Stelle zu finden. Aber mit 61 ist das einfach schwierig.
Noch bevor ich den Kaffee am Morgen fertig getrunken habe, beginne ich auf den Jobportalen nach offenen Arbeitsstellen zu suchen. Es ist sehr schwierig für mich, eine Stelle zu finden. Ich würde alles machen. Ich kann wieder als Babysitter oder als Nanny arbeiten oder auch als Senioren-Betreuerin. Ich würde auch putzen oder kochen. Aber auch eine Stelle im Verkauf suche ich weiterhin. Ich habe mich kürzlich online bei einer Modekette bewerben wollen. Als ich mein Geburtsjahr, 1960, eingeben wollte, erschien eine Fehlermeldung. Bitte schreiben Sie Ihr korrektes Geburtsdatum, stand da. Da merkte ich, ich bin zu alt, die wollen mich nicht.
Mein Mann ist bereits pensioniert, er bekommt eine kleine Rente. Wir haben ein wenig Erspartes. Aber das wird nicht lange reichen. Wenn ich keine Arbeit finde, wird uns niemand helfen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als bald eine Stelle zu finden. Aber mit 61 ist das einfach schwierig.»