Der Präsident des Bauernverbandes, Markus Ritter, Mitte-Nationalrat, nimmt für sich Anspruch, sehr kritisch zu sein gegenüber der Gentechnik. Dass der Ständerat diese Verfahren vom Moratorium befreien will, findet er einen Fehlentscheid.
Der Bio-Bauer aus dem St. Galler Rheintal ist aber auch ein gewiefter politischer Taktiker und sagt darum: «Wir wollen schauen, was für unser Land, für unsere Konsumenten und natürlich für die Landwirtschaft das Beste ist. Es wäre falsch, die Diskussion zu verweigern.»
Darum machte der Bauer und Zürcher SVP-Nationalrat Martin Haab heute in der zuständigen Kommission des Nationalrats folgenden Vorschlag: Der Bundesrat bekommt Zeit bis Ende nächsten Jahres, einen Weg zu finden, wie mit Pflanzen und Saatgut umzugehen sei, das mit dieser neuen, gezielteren Gentechnik verändert worden ist. «Ob diese Verfahren einen Mehrwert bringen, wird die Diskussion zeigen und das wird auch die Wissenschaft mit konkreten Beispielen darlegen müssen», so Ritter.
EU entscheidet erst noch
Bis der Bundesrat seine Vorschläge mache, sei wahrscheinlich auch klarer, wie die EU mit dem Thema umgehen wolle. Das sei für die Schweiz und für die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zentral, weil die meisten importierten Lebensmittel aus der EU stammten.
SP-Nationalrätin Martina Munz zeigt sich erstaunt über diese Idee. Die Schaffhauserin ist Präsidentin der Schweizerischen Allianz Gentechfrei, ausgebildete Agrarwissenschafterin und zweifelt grundsätzlich an einer Unterscheidung zwischen alter, sozusagen schlechter und guter, neuer Gentechnik.
Dieser Vorschlag des Bauernverbandes bedeutet, dass man gentechnisch veränderte Produkte nicht mehr von gentechfreien Produkten unterscheiden kann.
«Die neuen Verfahren bergen genau die gleichen Risiken wie die alten Verfahren und haben die gleichen Heilsversprechungen», sagt Munz. Die Bauern wollten nun, dass diese neue Gentechnik anders behandelt werde als die herkömmliche.
Damit würden die Weichen für eine fatale Entwicklung auf Kosten der Konsumentinnen und Konsumenten gestellt. «Dieser Vorschlag des Bauernverbandes bedeutet, dass man gentechnisch veränderte Produkte nicht mehr von gentechfreien Produkten unterscheiden kann.»
Qualitätseinbussen befürchtet
In den Augen von Munz hat der Bauernverband eine inhaltliche Pirouette gedreht. Er wolle für die neuen gentechnischen Verfahren ein Türchen öffnen, handle damit aber gegen die Interessen der eigenen Mitglieder: «Damit kann die Landwirtschaft die Qualitätsproduktion, die sie bis anhin hatte und die für den Export entscheidend war, nicht mehr aufrechterhalten. Die Biobauern können auch nicht mehr gentechfrei produzieren. Das führt zu einer Kehrtwende.»
Wenn es Möglichkeiten gibt, Pflanzenschutzmittel zusätzlich zu reduzieren, indem man Pflanzen resistenter gegen Krankheiten macht, dann ist das auch eine Chance, die man sich anschauen muss.
Der Bauernverbands-Präsident kontert: «Das ist sicher falsch.» Tatsache ist aber: Es gibt unter den Bäuerinnen und Bauern eine wachsende Gruppe, die sich den neuen Techniken nicht generell verschliessen möchte. Ritter bestätigt das und sagt: «Wenn es Möglichkeiten gibt, Pflanzenschutzmittel zusätzlich zu reduzieren, indem man Pflanzen resistenter gegen Krankheiten macht, dann ist das auch eine Chance, die man sich anschauen muss. Es braucht eine Auseinandersetzung auf der politischen Ebene. Die wollen wir führen.»
Der Vorschlag, sich für diese Auseinandersetzung Zeit zu geben, sei breit abgestützt, versichert Ritter und ist zuversichtlich, dass er im Parlament am Ende eine Mehrheit findet. Gentech-Gegnerinnen wie Munz gefällt dieser Vorschlag der Bauern zwar nicht. Er sei aber immer noch besser, als das, was der Ständerat im Dezember entschieden hat, nämlich die neue Gentechnik ohne weitere Diskussionen zuzulassen.