SRF News Online: Der Bund und die Weltgesundheitsorganisation WHO wollen bis 2015 die Masern eliminieren. Ist das Ziel realistisch?
Christoph Berger: Wenn man eine Impfrate von 95 Prozent der Bevölkerung erreicht, ist die Elimination möglich. Dies zeigt ein Ländervergleich. Gesamtschweizerisch beträgt die Impfrate 82 Prozent. Die Herausforderung ist nun, den Rest zu gewinnen.
Warum liegt der Fokus bei den Masern und nicht bei einer anderen Krankheit?
Weil die Elimination bei den Masern möglich ist. Das gilt nicht für alle Krankheiten, gegen die man impft. Bei den Masern verfügen wir über eine sehr gute Impfung.
Wird die Krankheit unterschätzt?
Ja, sie wird klar unterschätzt. Weil sich so viele Personen impfen lassen, sieht man die schweren Fälle nicht mehr. Die meisten Personen zeigen die klassischen Symptome mit Fieber und rotem Ausschlag, ein relevanter Teil erleidet aber schwere Komplikationen.
Wie sehen diese Komplikationen aus?
Häufig sind sekundäre Infektionen wie Lungen- oder Mittelohrentzündungen. Weniger häufig, aber schwerwiegernder, sind Infektionen, welche ins Hirn gelangen und Hirnhautentzündungen verursachen. Im schlimmsten Fall kann dies gerade bei Kindern zum Tod führen.
Wäre da ein Impfobligatorium denn nicht sinnvoll?
Nein, das ist weder die Idee noch das Ziel. Der Weg mittels Information und Überzeugung ist verhältnismässiger und sinnvoller.
Es herrscht teilweise immer noch der Glaube, dass es besser ist, eine Krankheit durchzumachen als sich dagegen zu impfen. Macht das Sinn?
Bei der Impfung gelangen lebendige Viren in den Körper, die sich sich vermehren und dann vom Körper überwunden werden. Immunologisch läuft derselbe Prozess ab wie bei einer Infektion, nur weniger heftig. Provokativ gesagt leidet man bei einem normalen Krankheitsverlauf einfach mehr. Zusätzlich besteht das Risiko von Infekten und anderen unangenehmen Symptomen.
In wohlhabenden Ländern ist die Gefahr, an Masern zu sterben, minim. Ist es eine Wohlstandserscheinung, dass wir uns weniger impfen lassen?
Es ist insofern eine Wohlstandserscheinung, als dass ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist und man dadurch die Komplikationen mit der Krankheit kaum mehr sieht. Darum sinkt die Angst vor einer an sich gefährlichen Erkrankung.
Es gibt bei der Impfrate grosse kantonale Unterschiede. Können sie das erklären?
Generell ist man in der Deutschschweiz skeptischer gegenüber allgemeinen Massnahmen als beispielsweise in der Romandie. In Kantonen mit weniger hoher Impfrate wird auch noch vermehrt beim Hausarzt geimpft. In den anderen Kantonen überwiegen Schularzt-Impfungen und Impf-Aktionen.
Das Gespräch führte Manuel Risi.