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Erklärung zu Syrien Parlament will Bundesrat den Rücken stärken

Der Nationalrat entscheidet am Montag darüber, ob er die Erklärung «Stopp der Kriegsverbrechen in Syrien» annimmt.

Heute Montag startet in Bern die Sommersession der Eidgenössischen Räte. Der Nationalrat entscheidet gleich zu Beginn darüber, ob er die Erklärung «Stopp der Kriegsverbrechen in Syrien» annimmt. Doch: Ist das hauptsächlich eine aussenpolitische Selbstprofilierung des Parlaments? Laurent Goetschel von der Friedensstiftung Swisspeace schätzt die Frage ein.

Laurent Goetschel

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Laurent Goetschel
Legende: ZVG

Der Professor für Politikwissenschaft lehrt an der Universität Basel und ist Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace in Bern. Zu seinen Schwerpunkten gehören die Friedens- und Konfliktforschung sowie die europäische Integration.

SRF News: Was würde eine Syrien-Erklärung des Nationalrats überhaupt bringen?

Laurent Goetschel: Diese Erklärung bringt dem Parlament eine gewisse Sichtbarkeit zu einer wichtigen Frage der Aussenbeziehungen. Das Parlament zeigt damit der Öffentlichkeit in der Schweiz vor allem, dass es sich für diesen Konflikt interessiert.

Dann ist es nicht mehr als aussenpolitische Selbstprofilierung des Parlaments?

Ich würde das nicht so sehen. Ich denke, dass damit auch das Parlament bestrebt ist, dem Bundesrat – also der Regierung – in dieser Angelegenheit den Rücken zu stärken. Und den Bundesrat vielleicht sogar zu ermutigen, gewisse Schritte in dieser Angelegenheit weiter zu unternehmen.

Sie haben es angesprochen: Die Erklärung soll auch den Bundesrat zum Handeln auffordern, er solle mehr tun, um einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Tut denn die Schweiz in Syrien zu wenig?

Es ist zurzeit recht schwierig, sich zu überlegen, wie man mehr und was machen könnte als ein Land wie der Schweiz. Die Schweiz ist durchaus engagiert; sie ist im humanitären Bereich tätig – vor allem auch indirekt, in dem sie Organisationen wie das IKRK und andere Nichtregierungsorganisationen unterstützt.

Sie ist auch im Umfeld des sogenannten Genfer Prozesses tätig, wo jetzt schon seit vielen Jahren vonseiten der UNO aus versucht wird, die verschiedenen Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen. Das alles hat bisher wenig gefruchtet – im Hinblick auf das, was tatsächlich in Syrien passiert. Aber ich denke nicht, dass man das nun einer zu wenig aktiven Schweizerischen Aussenpolitik anlasten könnte.

Es geht um Kriegsverbrechen, um den Schutz der Menschenrechte und den Einsatz für den Friedensprozess. Ich sehe darin kein Problem für die Neutralität.

Die Erklärung richtet sich an alle Kriegsparteien. Und doch: Eine Minderheit in der Aussenpolitischen Kommission hat neutralitätspolitische Bedenken, dass die Schweiz gegen die Neutralität verstossen könnte. Sehen Sie das auch so?

Die Neutralität ist definiert als eine Position in Bezug auf einen Konflikt zwischen zwei Parteien. Wenn man die eine Seite gegenüber der anderen Seite bevorzugen würde, dann wäre das neutralitätspolitisch gesehen nicht konform. Hier ermutigt das Parlament die Schweiz – beziehungsweise fordert den Bundesrat auf – in Bezug auf eine Sache Stellung zu beziehen. Es geht um Kriegsverbrechen, um den Schutz der Menschenrechte und den Einsatz für den Friedensprozess. Ich sehe darin kein Problem für die Neutralität.

Eine Partei wird in dieser Erklärung dann doch noch namentlich erwähnt: Die Kurden, so die Erklärung, sollten auch in den Friedensprozess einbezogen werden. Wenn da nun die Kurden herausgepickt und genannt werden, ergreift die Schweiz nicht doch auch Partei?

Ich glaube nicht, dass das ganze Andere in Mitleidenschaft zieht. Man kann sich allerdings schon fragen, warum jetzt ausgerechnet die Kurden? Nicht weil es sich um die Kurden handelt, sondern wieso jetzt eigentlich ein bestimmter Akteur hier erwähnt wird. Ich kann mir vorstellen, dass es damit zu tun hat, dass die Problematik der Kurden und der Türkei in der Schweiz auch sonst und schon seit längerem in der innenpolitischen Arena auch präsent ist. Was nicht unbedingt für andere Akteure im syrischen Bürgerkrieg zutrifft.

Symbolik spielt in der Aussenpolitik auch eine gewichtige Rolle. Es ist schwierig, sich vor Augen zu führen, was nun genau der Effekt einer solchen Erklärung ist.

Der Nationalrat greift selten zum politischen Mittel der Erklärung. Das letzte Mal war das 2013, als es um den Steuerstreit mit den USA ging. War so eine Erklärung in der Vergangenheit je mehr als reine Symbolik?

Symbolik spielt in der Aussenpolitik auch eine gewichtige Rolle. Es ist schwierig, sich vor Augen zu führen, was nun genau der Effekt einer solchen Erklärung ist. Aber: Es ist ja so, dass die Aussenpolitik hauptsächlich zum Aufgabengebiet der Regierung gehört – von ihrer Führung, von ihrer Umsetzung her.

Wenn das Parlament Stellung bezieht – das darf es ja auch gemäss Bundesverfassung tun – dann zeigt das meines Erachtens das Interesse des Parlaments an wichtigen aussenpolitischen Fragen. Es gehört sicher grösstenteils in den Bereich der Symbolik. Aber wie gesagt: Das heisst nicht, dass es deswegen unwichtig wäre.

Das Gespräch führte Andrea Christen.

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