Anfang Oktober ist es am Grossen Tschingelhorn auf der Kantonsgrenze zwischen Glarus und Graubünden zu einem Felssturz gekommen. Der Berg ist vor allem bekannt wegen des Martinslochs, dem Felsdurchbruch oberhalb von Elm GL.
Die Rede ist von einem «der grössten Felsstürze der letzten Jahre», wie Geologe Thomas Buckingham von der Tektonikarena Sardona letzte Woche gegenüber SRF sagte. Am Montag ist nun ein Erkundungsflug mit dem Helikopter erfolgt.
SRF News: Wie ist der Erkundungsflug abgelaufen?
Thomas Buckingham: Wir hatten gestern die Möglichkeit, das Grosse Tschingelhorn zu umfliegen. Es zeigt sich ein komplett anderes Aussehen. Der ganze Nordostgrat schräg über dem Martinsloch ist abgebrochen. Wir sahen, dass der ganze Ausbruchbereich im Moment ziemlich dramatisch aussieht. Alles ist voll Staub, Schutt und Geröll. Es liegt immer noch sehr viel loses Felsmaterial oben, das sich durch Regen einfach mobilisieren könnte.
Was heisst das konkret? Müssen Massnahmen ergriffen werden?
Momentan ist der Zustieg zum Martinsloch beidseitig direkt betroffen. Dort muss weiterhin mit Felsabbrüchen gerechnet werden. Personen sollten sich nicht rund um das Grosse Tschingelhorn und in der Nähe des Martinslochs aufhalten.
Letzte Woche war die Rede von gut 10'000 Kubikmetern Felsvolumen, das abbrach. Wissen Sie unterdessen mehr?
Wir können mittlerweile ziemlich klar sagen: Das Felsvolumen ist um einiges grösser. Die neuesten Schätzungen gehen von etwa 100'000 Kubikmeter aus. Es ist wirklich massiv mehr, als wir ursprünglich gedacht haben. Was auch eine neue Erkenntnis ist: Ein grosser Teil ist auf der Glarner Seite abgebrochen. Ich schätze, dass es auf der Bündner Seite etwa 30 Prozent sind.
Was passiert jetzt mit dem Felsmaterial? Lässt man das vorderhand so liegen?
Ja, das bleibt einfach so liegen. Wir beobachten die Situation weiterhin und versuchen, Aufnahmen zu machen. Vielleicht bekommen wir in Zukunft noch etwas genauere Informationen über die Ursache und den Ablauf des Felssturzes.
Wir gehen nicht von einer direkten Gefährdung des Martinslochs aus.
Dazu ist noch nichts weiter bekannt?
In den letzten Jahren gab es auf beiden Seiten immer wieder Berichte über Steinschläge, zum Beispiel beim Aufstieg Richtung Martinsloch. Wir haben jetzt sehen können, dass quasi der Fuss des Abbruchvolumens eigentlich der Ursprungsort dieser Steinschläge war. Eine Vermutung ist, dass dieser Fuss langsam weggebröckelt ist. Dann konnte der grosse Teil nachrutschen.
Können Sie schon eine Prognose machen, ob das Martinsloch irgendwann zusammenfällt?
Das hoffen wir natürlich nicht. Eine Prognose in diese Richtung ist immer schwierig. Was man ganz klar sagen kann: Die Bereiche, wo Felsen abgebrochen sind, sind weiterhin instabil. Das Gestein über dem Martinsloch ist ein anderes. Wir gehen nicht von einer direkten Gefährdung des Martinslochs aus.
Soll es weitere Erkundungsflüge geben?
Vorläufig sind keine Helikopterflüge mehr geplant. Es ist möglich, dass die Kantone noch weitere Flüge unternehmen. Wir werden das Tschingelhorn weiterhin im Auge behalten und mit Drohnen die Bereiche ausmessen, um genauere Aussagen über das Volumen und die Ursache treffen zu können.
Das Gespräch führte Wera Aegerter.