Gleich mehrmals sorgten in der Schweiz Extremisten jüngst wieder für Schlagzeilen: am vergangenen Wochenende marschierten in Zürich Neonazis auf und protestierten gegen Dragqueens, welche eine Vorlesestunde für Kinder abhielten. Und am Samstagabend mobilisierten Linksextreme in Bern rund 1500 Leute für eine unbewilligte Kundgebung.
Rechts- und Linksextreme, die – nach zwei Jahren scheinbarer Ruhe – wieder offener auftreten: das birgt ein erhebliches Gewaltpotential, warnen die Behörden. So geschehen dieses Wochenende an einer unbewilligten Demonstration in Bern. Beim ersten sogenannten «antifaschistischen Abendspaziergang» seit 2015 kam es zu Schmierereien, Sachbeschädigungen und Gewalt gegen Beamte. Dies, obwohl im Vorfeld linke Aktivisten betonten, die Kundgebung werde diverser und moderater als früher.
Konsternation bei Berns Polizeivorsteher
Berns Polizeivorsteher Reto Nause ist konsterniert: «Die Polizei hat gute Arbeit geleistet. Trotzdem kam es zu Sprayereien und es gab Steinwürfe gegen die Einsatzkräfte. So moderat wie das im Vorfeld getönt hat, war es am Schluss nicht», sagt er im Interview mit SRF. Verletzt wurde niemand, der Sachschaden beträgt mehrere tausend Franken.
Die linksextreme, teils gewaltbereite Szene ist schweizweit seit Jahren aktiv, das zeigen die Zahlen des Bundes: Seit 2015 bewegen sich die vom Nachrichtendienst registrierten linksextremen Vorfälle um die 200 pro Jahr. Ein Teil davon sind gewaltsame Taten. Waren es 2015 deren 49 Gewalttaten, stieg diese Zahl 2019 auf einen Höchstwert von 115, 2021 waren es 81.
Auch Rechtsextreme fallen vermehrt auf
Auch Rechtsextreme sind wieder sichtbarer: Zu erwähnen wäre die Gruppe Junge Tat, welche eine Aktion von der Dragqueens störte. Vor dem Gebäude zündete ein anderer Teil dieser Gruppe Fackeln an. In einem heute veröffentlichten Video, das SRF auf einem Telegram-Kanal feststellte, sagen zwei Exponenten, sie hätten damit die «Gender-Ideologie» kritisieren wollen.
Auffällig ist, dass im Video, das am Sonntag auf einem Social Media-Kanal der «Jungen Tat» veröffentlicht wurde, zwei Exponenten ohne Vermummung zu sehen sind, und Vornamen nennen. Das ist neu, bisher waren die meisten Personen in den Videos vermummt oder geblurrt. Dieses zelebrierte Selbstbewusstsein soll wohl Stärke demonstrieren – und scheint auch das Signal auszusenden, dass man weder Strafverfolgung noch Aktionen der Antifa befürchte.
Verglichen mit den linksextremen Ereignissen liegt das Niveau im Rechtsextremismus zahlenmässig deutlich tiefer: 2015 gab es 28 Vorfälle, davon zwölf gewaltsam, 2021 waren es 38 Vorfälle, davon waren drei gewaltsam.
War es in Bern während der Corona-Jahre verhältnismässig ruhig rund um links- und rechtsextreme Ereignisse, bereiten Sicherheitsvorsteher Reto Nause die aktuellen Entwicklungen keine Freude: «Wir leben in einem vielschichtigen Konfliktzeitalter. Wir haben Corona, wir haben den Ukraine-Konflikt, wir haben links- und rechtsextreme Auseinandersetzungen – es sind schwierige Zeiten. Wir müssen diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen».
Linke, die wieder Hundertschaften – zum Teil Gewalttätige zu mobilisieren vermögen, wie am Samstagabend, und Rechtsextreme, die immer selbstbewusster und provokativer auftreten, dürften diese Tendenz befeuern.