«Der Täter kehrt immer an den Tatort zurück.» Eine Binsenweisheit, die vor allem in schlechten Krimis zu lesen ist. Auf Raubtiere trifft sie jedoch häufig zu. Beispielsweise auf den Wolf: Wenn dieser ein Schaf reisst, kehrt er einen Tag später meist zur selben Herde zurück, um sein Glück nochmals zu versuchen.
Für die betroffenen Älpler und Schafshirten bedeutet dies, dass sie die überlebenden Tiere möglichst schnell in Sicherheit bringen sollten. Das heisst: Einzäunen oder ganz von der Alp nehmen. Besonders das Einzäunen ist eine zeitraubende Aufgabe.
Projekt des Kantons und Bauernverbands
Damit die Älpler dabei nicht auf sich alleine gestellt sind, läuft im Kanton Uri aktuell ein Pilotprojekt mit dem Namen «Wolfsfeuerwehr». Das ist eine Gruppe von erfahrenen Bauern, Hirten und Älplern, die Betroffenen auf Abruf beim Einzäunen helfen. Alarmiert werden sie vom Wildhüter, der sich jeden Schafsriss vor Ort ansieht.
Die «Wolfsfeuerwehr» ist ein gemeinsames Projekt des Urner Amts für Landwirtschaft und des kantonalen Bauernverbands. Dessen Präsident Wendel Loretz sagt, weshalb es ein Bedürfnis dafür gibt: «Betroffene Landwirtschaftsbetriebe haben meist nur eine oder zwei Personen vor Ort. Das reicht nicht, um in angemessener Zeit einen Zaun zu errichten.»
Tierschutz bevorzugt präventive Massnahmen
Einen ersten Ernstfall für die «Wolfsfeuerwehr» gab es Ende Juli, als in Unterschächen ein Schaf gerissen wurde. Die Feuerwehr rückte an und half Älpler Hanspeter Bricker beim Einzäunen der verbleibenden Schafe. Bricker erinnert sich: «Die machten einen super Job, man merkte, dass sie was von der Materie verstehen. Da muss ich ihnen ein Kränzchen winden.» Tatsächlich kam der Wolf am nächsten Abend nochmals vorbei, konnte im neu errichteten Gehege jedoch kein Schaf mehr reissen.
Die «Wolfsfeuerwehr» stösst auch bei den Tierschützern auf gewisses Wohlwollen. David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz meint, solche Projekte seien grundsätzlich zu begrüssen. «Es ist positiv zu werten, wenn man sich um den Schutz von Nutztieren Gedanken macht», sagt er. Dann ergänzt jedoch noch, dass es in der Schweiz eigentlich bereits viele präventive Massnahmen für den Schutz vor dem Wolf gebe, die von der öffentlichen Hand finanziert sind. «Man sollte die Tiere schon vor einem möglichen Angriff einzäunen oder durch einen Herdenschutzhund bewachen lassen.»
Am liebsten gar keinen Wolf mehr
Damian Gisler vom Urner Amt für Landwirtschaft, welches für die Kosten der «Wolfsfeuerwehr» aufkommt, widerspricht. «In Uri sind viele Alpen aufgrund der Topografie nur schlecht einzäunbar, und für Schutzhunde hat es oft zu wenig Schafe pro Herde.» Deshalb setzten sie eben auf die «Wolfsfeuerwehr». Die ersten Erfahrungen hätten gezeigt, dass diese gut funktioniere.
Gisler kann sich vorstellen, das Projekt auch im nächsten Alpsommer weiterzuführen. Ganz ähnlich klingt es beim Bauernverband. Den definitiven Entscheid dazu fällen sie diesen Herbst. Auch Hanspeter Bricker, dem die «Wolfsfeuerwehr» unter die Arme griff, ist positiv gestimmt. «Die beste Lösung wäre jedoch gar kein Wolf mehr», sagt er. Doch das ist eine andere Diskussion.