Es war nicht gerade ein Sturm der Erneuerung, der im Parlament alles geändert hätte. Doch etwas frischer Wind war inhaltlich durchaus zu erkennen in den drei Wochen, in denen das neu zusammengesetzte Parlament erstmals tagte.
Besonders interessant: Dieser frische Wind wehte in den beiden Kammern aus unterschiedlichen Richtungen.
Im Nationalrat würde man ihn nach dem historischen Sieg der Grünen etwas stärker von links erwarten, bei Ökothemen verstärkt durch die ebenfalls zahlreicheren Grünliberalen. Eine leicht linkere Positionierung war denn auch bemerkbar, allerdings keine markante. So beschloss der Nationalrat beispielsweise erstmals etwas strengere Regeln fürs Lobbying. Und beim Zivildienst segnete er – wohl auch dank mehr jungen Nationalratsmitgliedern – nicht ganz alle Vergraulungs-Massnahmen ab. Auch der Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative fiel etwas grosszügiger aus, als es beim alten Nationalrat zu erwarten gewesen wäre.
Liberalerer Nationalrat
Doch unter dem Strich zeigte sich in der Praxis, was von den Zahlen her schon vorher klar war: Ohne Verbündete bringen Grüne und SP ihre Anliegen nicht durch – auch nicht mit Hilfe der Grünliberalen. Exemplarisch zeigte sich dies beim Raumplanungsgesetz, welches das Bauen ausserhalb der Bauzonen neu hätte regeln sollen. Die Linke und die Grünliberalen blieben allein, das Gesetz scheiterte. Ein Vorstoss zu Pestiziden jedoch hatte Erfolg – weil die FDP ihn unterstützte.
Bemerkenswerter als die Bewegung auf der Links-Rechts-Skala waren Veränderungen auf der Achse liberal-konservativ. Der neue Nationalrat zeigte sich liberaler. Am auffälligsten zeigte sich das bei der Ehepaar-Besteuerung. Der Bundesrat wollte wählen lassen zwischen einer gemeinsamen Besteuerung wie heute oder einer individuellen Besteuerung. Doch die Vorlage fiel im neuen Nationalrat durch. Die Mehrheit möchte offenbar eine Besteuerung, die unabhängig ist vom Zivilstand.
Wind von rechts im Ständerat
Im neuen Ständerat hingegen scheint der Wind stärker von rechts zu blasen. Obwohl die neue parteipolitische Zusammensetzung dies nicht unbedingt erwarten lassen würde. So stutzte die kleine Kammer die Überbrückungsrenten für ältere Arbeitslose. Und bei der Konzernverantwortungs-Initiative waren noch kritischere Voten zu hören als vor den Wahlen bereits. Dies könnte mit der persönlichen Positionierung der Neugewählten zusammenhängen.
Gut möglich aber auch, dass einige der vielen neuen Ständeratsmitglieder sich noch etwas zurückhalten und im Zweifelsfall einfach mal parteitreu stimmen. Und erst nach und nach neue Brückenbauer und Brückenbauerinnen auftauchen, die auch mal von der Parteilinie abweichen, um Kompromisse zu ermöglichen. Solche parteiübergreifenden Lösungen gab es bisher im Ständerat häufiger.
Falls die Winde in den beiden Räten aber so weiter wehen, haben die Kammern mit der Wahl ihre Rollen vertauscht. Neu wäre der Ständerat wieder die rechtere, konservativere Kammer. So wie dies früher schon sehr lange der Fall war.