Die Schweiz wollte am europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus teilnehmen – nun verzichtet sie, zumindest für die laufende Periode bis Ende 2027. Laut Bundesrat ist das Budget zu knapp. Was heisst der Verzicht für den Forschungsstandort Schweiz? Der Experte ordnet ein.
SRF News: Herr Knutti, was macht das Copernicus-Programm aus Ihrer Sicht so interessant?
Reto Knutti: Copernicus produziert Grundlagen für sogenannte Klimadienstleistungen: Das ist vergleichbar mit der Wetterprognose – aber weiter in die Zukunft. Dazu werden Beobachtungsdaten zusammengestellt. Die Messresultate sind relevant für Anpassungsmassnahmen, Infrastrukturplanung, Bevölkerungsschutz et cetera. Denn: Man muss die heutige Infrastruktur so bauen, dass sie in 50 Jahren auch noch funktioniert.
Wie profitiert die Schweiz denn heute bereits von den Copernicus-Daten?
Der Bundesrat will, dass die sogenannten Klimadienstleistungen – also Klimaszenarien – ausgebaut werden. Wir von der ETH sind daran stark beteiligt. Dafür nutzen wir Daten von Modellen und Beobachtungen aus der ganzen Welt – auch von Copernicus. Wenn wir dort nicht dabei sind, dann ist nicht ganz klar, ob wir weiterhin den vollen Zugang zu diesen Daten haben werden.
Wenn man sich an diesen Programmen nicht beteiligt, dann ist das eine verpasste Chance für die Forschung.
Dieser Auftrag des Bundes wäre in dem Fall infrage gestellt aus Ihrer Sicht?
Im Moment haben wir den Zugang zu den Daten von Copernicus. Aber man weiss natürlich nicht, was die EU dazu sagt. Von Beispielen aus anderen Forschungsprogrammen, wie Horizon, wissen wir, dass sie die Türe irgendwann auch mal zuschlagen kann. In diesem Sinne finde ich das Ganze eine relativ kurzsichtige und egoistische Haltung. Man will profitieren, aber man will nicht mithelfen.
Welche Probleme für den Forschungsstandort Schweiz stellen sich?
Wenn man sich an diesen Programmen nicht beteiligt, dann ist das eine verpasste Chance für die Forschung – das kennen wir aus anderen Programmen. Es trifft insbesondere aber auch die Industrie, die diese Assoziierung gerne gehabt hätte. Sie profitiert von Aufträgen: seien es Hardware-Teile oder die Software-Datenauswertung. Wir tun gut daran, wenn wir uns hier europäisch vernetzen.
Wir wissen aus dem Bereich der Wetterprognose zum Beispiel, wie das erfolgreich sein kann. Da zahlen alle europäischen Staaten – auch die Schweiz – ein und profitieren von besseren Prognosen. Wenn man die Infrastruktur und Ressourcen zusammenlegt, dann haben am Schluss alle ein besseres Produkt.
Könnte die Schweiz die Daten, die Copernicus heute sammelt, auch aus eigenem Antrieb bereitstellen?
Nein, das ist nicht möglich. Copernicus finanziert insbesondere die sogenannte Re-Analyse – quasi den Wetterbericht im Nachhinein über die letzten 50 Jahre. Das beinhaltet technische und intellektuelle Herausforderungen, die ein einzelnes, kleines Land in dieser Form nicht stemmen kann.
Vor allem macht es keinen Sinn, weil es würde ein Vielfaches mehr kosten, als wenn man es gemeinsam tut.
Der Bund führt die Kosten des Projekts als Grund für die Absage ins Feld. Wie stichhaltig ist das aus Ihrer Sicht?
Es ist klar, dass im Moment bei den Bundesfinanzen eine schwierige Situation vorherrscht. Aber man muss sich in diesen Fragen immer bewusst sein, dass ein investierter Franken auch einen Nutzen hat. Wir wissen das zum Beispiel aus der Wetterprognose oder dem Hochwasserschutz: Ein Franken im Hochwasserschutz spart mehr als ein Franken Schaden.
Das Gespräch führte Tobias Bühlmann.