Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat heute nicht nur ihre Kommissarinnen und Kommissare vorgestellt, sie hat sich auch erstmals zum schwierigen Verhältnis der EU zur Schweiz geäussert und dabei Beständigkeit signalisiert.
Das Schweiz-Dossier sei «sehr wichtig» und werde auch für die neue Führung in Brüssel «besondere Bedeutung» haben, sagte von der Leyen. Sie lobte die Verhandlungen über das Rahmenabkommen, welche die scheidende Kommission von Jean-Claude Juncker mit dem Schweizer Bundesrat geführt hatte. Darauf wolle sie «aufbauen».
Damit zeigt sich von der Leyen bereit, mit der Schweiz auf der Grundlage des verhandelten Abkommens im Gespräch zu bleiben. Während die EU das Abkommen für unterschriftsreif hält, fordert der Bundesrat Klärungen in drei Punkten. Es geht um die Lohnschutzkontrolle, um die Rechte von EU-Bürgern in der Schweiz sowie um die Zulässigkeit von Subventionen, zum Beispiel im Energie- oder Finanzsektor.
Verhandlungen mit der Schweiz als Chefsache
Jean-Claude Juncker hat sich offen gezeigt für klärende Gespräche, gleichzeitig aber Änderungen des Abkommens abgelehnt. Ohne Nachverhandlungen dürfte das Rahmenabkommen in der Schweiz aber weiter auf massiven innenpolitischen Widerstand stossen. Trotz der wohlwollenden Äusserungen von der Leyens gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass sich der Kurs der EU ändern wird.
Offen bleibt vorderhand, wer sich in der EU-Kommission um das Schweiz-Dossier kümmern wird. «Wo das Dossier bleibt, ist noch nicht entschieden», sagte von der Leyen.
Juncker hatte die Verhandlungen mit der Schweiz zur Chefsache erklärt und sein eigenes Kabinett damit betraut. Später machte er den Kommissar für Nachbarschaftspolitik, den deutschsprachigen Johannes Hahn, zum Schweiz-Beauftragten.
Er erfüllte damit den Wunsch des Bundesrats nach einem ständigen Ansprechpartner in Brüssel. Allerdings diente der Österreicher Hahn vor allem als Überbringer von – meist schlechten – Nachrichten. Die Entscheide trafen weiter Juncker und seine Entourage.
Noch kein Ansprechpartner für die Schweiz
Ihre heutigen Äusserungen lassen darauf schliessen, dass sich von der Leyen selbst um das Schweiz-Dossier kümmern könnte. Ein enger Mitarbeiter Junckers sagte heute ebenfalls, dass die Schweiz in Brüssel Chefsache bleiben dürfte.
Nachfolger von Johannes Hahn als Nachbarschafts-Kommissar soll der Ungar László Trócsányi werden. Ob er eine Rolle im Schweiz-Dossier spielen wird, ist hingegen fraglich. Als bisheriger Justizminister in der Regierung von Viktor Orbán dürfte Trócsányi ohnehin auf heftigen Widerstand im EU-Parlament stossen, das der Kommission noch seine Zustimmung erteilen muss.
Sollte von der Leyen ein anderes Kommissionsmitglied mit dem Schweiz-Dossier betrauen wollen, hätte sie die Qual der Wahl. Der künftige Aussenbeauftragte, der Spanier Josep Borrell, käme ebenso in Frage wie Binnenmarkt-Kommissarin Sylvie Goulard aus Frankreich oder ihr irischer Kollege Phil Hogan, der sich als Handelskommissar mit dem Brexit herumschlagen wird – einem anderen Dossier von «besonderer Bedeutung».