Die EU wird mit der Corona-Krise auf die Probe gestellt. Sie ringt um eine gemeinsame Haltung im Umgang mit den Grenzen. Nun haben die EU-Mitgliedstaaten beschlossen, die Schengen-Aussengrenzen zu schliessen, um sich zu schützen. Das betrifft auch die mit Schengen assoziierte Schweiz. Inwiefern, erklärt SRF-Bundeshausredaktor Oliver Washington.
SRF News: Was bedeuten die neuen Grenzregeln für die Schweiz?
Oliver Washington: Die Schweiz muss die strengeren Regeln dort übernehmen, wo sie Schengenaussengrenze ist – also an den Flughäfen in Zürich, Basel und Genf. Hier landen Flugzeuge nach Amerika, Afrika und Asien. Das heisst, die Schweiz muss dort systematisch kontrollieren. Und sie kann Menschen aus diesen Gegenden zurückweisen, wenn sie Krankheitssymptome haben oder in Corona-Krisenregionen gewesen sind.
Auch innerhalb des Schengenraums haben einzelne Länder ihre Grenzen geschlossen. Was heisst das für Personen, die in der Schweiz leben?
Einzelne Mitgliedsstaaten der EU und des Schengenraums haben die Grenzen geschlossen. Das klingt nach Dichtmachen, doch das stimmt so nicht. Vielmehr bedeutet es, dass viele Länder wieder Kontrollen durchführen und eine Triage machen: Wer triftige Gründe hat, etwa in einem Nachbarland arbeitet, soll durchgelassen werden. Wer aber nur nach Deutschland will, um einzukaufen, wird nicht durchgelassen. Das gleiche Regime hat übrigens auch die Schweiz gegenüber allen Nachbarstaaten eingeführt.
Betrifft die Regelung auch Güter, die von der EU in die Schweiz kommen sollen?
Grundsätzlich nicht. Aber wenn Menschen systematisch an den Grenzen kontrolliert werden, kann das zu Staus führen, die auch den Gütertransport betreffen. Ich haben aber gehört, dass es zumindest am Montag für manche Gütertransporter einfach war, die Grenze zur Schweiz zu passieren.
Ist die grundsätzliche Offenheit der EU gegenüber der Schweiz auch im Krisenfall garantiert?
Dann wird es schwieriger. Die EU hat entschieden, dass Exporte aus der EU in Drittstaaten von gewissen Medizinalprodukten wie Schutzmasken oder -handschuhen bewilligt werden müssen. Das hat die Schweiz aufgeschreckt, weil das auch Exporte aus der EU in die Schweiz betrifft. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat am Montag gesagt, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe ihr versichert, dass diese Exportregeln die Schweiz nicht betreffen sollen.
Die EU-Mitgliedsländer könnten die Grenzen für den Güterverkehr dicht machen.
Es gibt aber trotzdem zwei Probleme: Zum einen müssen die EU-Mitgliedsstaaten diese Bewilligung erteilen. Wie ernst sie diese Zusicherung von der Leyens gegenüber der Schweiz nehmen, ist offen. Zudem geben die EU-Verträge jedem Mitgliedsland das Recht, den Güterexport einzuschränken oder sogar ganz zu verbieten. Die Mitgliedsländer könnten die Grenzen für den Güterverkehr also dicht machen. In diesem Krisenfall müsste Bern dann nicht mit Brüssel, sondern mit Berlin, Paris oder Rom verhandeln.
Was heisst das für die Güter, die die Schweiz in die EU exportiert?
Das sollte kein Problem sein. Die Frage ist, ob die Schweiz im beschriebenen Krisenfall nicht ähnliche Restriktionen einführen würde.
Was kann die Schweiz machen, damit der Personen- und Güterfluss innerhalb der EU gewährleistet bleibt?
Das zentrale Stichwort lautet Diplomatie. Die Schweiz hätte auch einige Trümpfe in der Hand, um im Ernstfall entsprechenden Druck auszuüben – man denke nur daran, die Schweiz würde den alpenquerenden Güterverkehr nach Italien blockieren. Aber wir wollen nicht die absolute Krise heraufbeschwören.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.