- Für Mittwoch plant der Bundesrat eine Klausursitzung zur Europapolitik.
- Er sucht nach einer europapolitischen Strategie, die wirtschaftlich sinnvoll und politisch tragfähig ist.
- Für den Europarechtler Thomas Cottier ist klar: Ein Rahmenabkommen mit der EU liege vor allem im Interesse der Schweizer Wirtschaft.
Er ist einer, der genau hinschaut, wenn der Bundesrat seine Strategie in der Europapolitik berät: Thomas Cottier, ehemaliger Handelsdiplomat und Leiter des Weltwirtschaftsinstitutes der Universität Bern. Er warnt davor, den Ernst der Lage zu verkennen.
«Das Rahmenabkommen wird in seiner Bedeutung in der Schweiz unterschätzt», sagt Cottier. Man sei hierzulande der Meinung, die EU wolle der Schweiz ein solches Abkommen aufzuzwingen. Doch das sei irreführend.
Schweizer Wirtschaft auf Marktzugang angewiesen
Der Handelsrechtler betont, es sei vor allem für die Schweiz von grossem Interesse, den Zugang zum grossen EU-Markt zu bewahren und langfristig zu sichern. Das Freihandelsabkommen von 1972 sei veraltet, da es nur Zölle umfasse.
Heute werde vielmehr mit Regulierungen Handelspolitik betrieben. Das zeige etwa der Streit um die Anerkennung der Schweizer Börsenregulierung durch die EU. Mit einem Rahmenabkommen würden solche bösen Überraschungen ausbleiben, ist Cottier überzeugt.
Ohne Marktzugang werden viele Schweizer Firmen ins benachbarte Ausland abwandern müssen.
Der emeritierte Europarechtsprofessor betont, dass es der Schweizer Wirtschaft schade, wenn die Europapolitik in einer Sackgasse bleibe. «Schweizer Betriebe – auch KMU – werden ins benachbarte Ausland ausweichen müssen.» Nur so könnten sie weiterhin unter den EU-weit geltenden Bedingungen geschäften.
«Das geht auf Kosten von Gemeinden, Kantonen und Bund, und führt zu einer gesellschaftlichen Verarmung.» Deshalb fordern Cottier und seine Mitstreiter den Bundesrat auf, ein Rahmenabkommen rasch voranzutreiben.
SVP bezweifelt Notwendigkeit und Nutzen
Genau das möchte die SVP verhindern. Parteipräsident Albert Rösti bezweifelt, dass ein Rahmenabkommen mit der EU für die Wirtschaft wichtig ist. Er habe mit «äusserst vielen» KMU und grösseren Firmen Kontakt. «Von keiner Seite höre ich, dass es jetzt ein Rahmenabkommen brauche», sagt Rösti. Und der Bundesrat sage, es brauche bloss für fünf Bereiche ein Rahmenabkommen mit der EU. «Die Widersprüche sind sehr gross», stellt er fest.
Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse allerdings ist klar, dass es ein Rahmenabkommen mit der EU braucht.
Die Positionen liegen weit auseinander. Für den Bundesrat stellt sich die schwierige Aufgabe, eine europapolitische Strategie zu finden, die wirtschaftlich sinnvoll und politisch tragfähig ist.