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Einschätzungen des Strafrechtsexperten Stefan Trechsel
Aus Rundschau vom 25.01.2017.
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Fall Ousman Sonko «Die Schweiz muss aktiv werden»

Ousman Sonko, einer der früheren Weggefährten des entmachteten gambischen Staatschefs Yahya Jammeh, hat in der Schweiz Asyl beantragt (die «Rundschau» berichtete). Sonko, der früher Elitetruppen befehligte und dem die Opposition Folter und andere Menschenrechtsverletzungen vorwirft, wurde Mitte November als Asylsuchender in einem Durchgangszentrum im Kanton Bern gemeldet. Ob er sich dort noch immer aufhält, ist derzeit unklar.

Zur Person

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Legende: SRF

Stefan Trechsel ist emeritierter Strafrechtsprofessor. Er ist ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission für Menschenrechte und arbeitete als erster und bisher einziger Schweizer als Richter am UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

Der Fall Sonko wirft Fragen auf. Einige davon hat der Strafrechtsexperte Stefan Trechsel am Mittwoch in der «Rundschau» beantwortet.

Wie kann es sein, dass ein mutmasslicher Straftäter wie Sonko seit zweieinhalb Monaten offenbar unbehelligt in der Schweiz lebt?

Ein schwieriger Fall – auf den es keine einfache Antwort gibt. «Die Behörden haben offenbar gezögert, das Strafverfahren einzuleiten», sagt Strafrechtsexperte Stefan Trechsel. «Das ist immer aufwändig.» Einen Mann wie Sonko einfach in Untersuchungshaft zu stecken, sei zudem nicht ganz einfach. «Wahrscheinlich ist es nicht so leicht, Haftgründe glaubhaft zu machen. Der Mann wird seine Taten hier nicht wiederholen, er wird kaum in der Lage sein, Beweise zu verunmöglichen und er wird wahrscheinlich auch nicht flüchten. Wo soll er auch hin?», sagt Trechsel.

Gegen Ousman Sonko werden massive Vorwürfe erhoben. Als rechte Hand des entmachteten Präsidenten Jammeh soll er aussergerichtliche Hinrichtungen und Folter angeordnet und Menschen verschwinden lassen haben. Muss die Schweiz – unabhängig von seinem Asylverfahren – nicht von sich aus aktiv werden?

Hier ist die Antwort des Strafrechtsexperten klar. «Die Schweiz muss aktiv werden – sofort», sagt Stefan Trechsel. Geklärt werde derzeit vermutlich die Frage, ob man Sonko abschieben oder ihn in der Schweiz verfolgen will. Um das humanitäre Völkerrecht auf seinen Fall anzuwenden, müssten laut Trechsel verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein: So müsse abgeklärt werden, ob Sonko massive und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu verantworten habe. In seinem Fall sei es offensichtlich, dass in der Kommandostruktur – also zwischen Sonkos Anordnungen und den ausgeübten Folter- und Tötungsverbrechen – eine Verbindung bestanden haben dürfte. In anderen Fällen sei das oft nicht so eindeutig, so Trechsel.

Bei mutmasslichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind die Hürden für ein Verfahren sehr hoch. Gegen Sonko werden aber auch Foltervorwürfe erhoben – und die Schweiz hat die Folterkonvention ratifiziert. Könnte man Sonko nicht auch auf diesem Wege zur Verantwortung ziehen?

Ja – theoretisch. Allerdings: «Die Schweiz hat die Folterkonvention zwar ratifiziert, aber nicht umgesetzt», sagt Stefan Trechsel. «Sie ist eigentlich verpflichtet, Folter als Tatbestand ins Strafrecht aufzunehmen, aber sie hat das nicht getan.» Die Schweiz steht hier nicht allein da, auch in anderen Ländern ist das der Fall. Dennoch verhindert dieser fehlende Straftatbestand im Fall Sonko nun, dass der frühere Minister auf diesem Wege zur Verantwortung gezogen werden könnte. «Man muss nun den etwas umständlicheren Weg nehmen über das humanitäre Völkerrecht», sagt der Strafrechtsexperte. Aber: «Die Schweiz hat die Instrumente, um ihn zu verfolgen.»

Wo hält sich Sonko derzeit auf?

Der ehemalige gambische Innenminister Ousman Sonko
Legende: Unter Folterverdacht: Der ehemalige gambische Innenminister Ousman Sonko hat in der Schweiz um Asyl gebeten. SRF

Das ist derzeit offiziell nicht bekannt. Bis Dienstag soll sich Sonko im Durchgangszentrum Kappelen-Lyss aufgehalten haben. Inzwischen ist er verlegt worden. Der bernische Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser bestätigte eine entsprechende Meldung der Internet-Ausgabe der «Berner Zeitung». Wohin der Gambier verlegt wurde, sagte er nicht.

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