Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet musste in den vergangenen Jahren viel Kritik einstecken. Mangelnden Durchhaltewillen kann man ihm allerdings nicht vorhalten. Obwohl er nunmehr ein Staatsrat ohne Partei und ohne Department ist und im Februar vor Gericht erscheinen muss, will er es noch einmal wissen: Er tritt im März zu seiner eigenen Ersatzwahl an (siehe Kasten).
Und er zögert nicht, seinen Einsatz tatkräftig unter Beweis zu stellen: In der «Permanence Pierre Maudet» empfängt er seit Ende Jahr zur Wirtschafts-Sprechstunde. Unternehmerinnen und Unternehmer in Not will er durch den Dschungel der Corona-Verordnungen helfen; montags bis donnerstags, 7:30 bis 13:30 Uhr.
Wählerauftrag ausführen «bis zum Ende»
«Ich mache das, wofür ich von den Genferinnen und Genfern gewählt wurde», sagt Pierre Maudet beim Besuch von SRF in der «Permanence». Man müsse rausgehen, den Puls der Menschen fühlen. Obwohl er selber Teil der Behörden ist, spricht er von «behördlicher Gewalt», die manchen Bürgern in Existenznot im Papierkrieg um Finanzhilfen angetan werde.
Er wolle die Erkenntnisse von der Sprechstunde ins Kollegium tragen – ein Kollegium, das ihm seine Funktionen sowie den Zugang zu seinem Büro entzogen hat und ihn über diese Aktion notabene nicht informiert hat. Für inen Auftrag, sich um die Wirtschaft des Kantons zu kümmern, gehe er «bis zum Ende», sagt Maudet. «Die Frage, ob ich nun ein Büro habe oder nicht, ist nebensächlich.»
Egoismus oder Aufopferung?
Sein ehemaliger Parteikollege Bertrand Reich, Präsident der FDP Genf, kann dem Tatendrang des inzwischen von der Partei ausgeschlossenen Maudet wenig abgewinnen:
«Herr Maudet verfolgt seine eigene Agenda. Was ihn interessiert, ist sein eigenes Schicksal und seine Position – und nicht im Geringsten das Interesse der Allgemeinheit.» Sonst, so Reich, wäre Maudet längst zurückgetreten. Stattdessen müsse jetzt, mitten in der Krise, eine Ersatzwahl abgehalten werden.
Francisco Taboada hingegen gehört zu jenen, die Maudet weiterhin die Stange halten. Er ist Vizepräsident der neuen Genfer Partei «Élan Radical», die sich als Gegenbewegung zur FDP versteht. Zur Ersatzwahl habe sich die junge Partei noch nicht positioniert, sagt Taboada.
Für ihn persönlich sei aber klar: «Ich unterstütze Pierre Maudet – wegen der Vision, die er für den Kanton Genf hat und wegen seiner pragmatischen Lösungen.» Das brauche Genf, gerade jetzt, in der Krise. Für seine Fehler habe Maudet sich entschuldigt; niemand sei perfekt.
Konkurrenz ist gross
Kurz vor der Ersatzwahl kommt es im Februar zum Gerichtsprozess gegen Maudet. Für den Politologie-Professor Pascal Sciarini spielt das juristische Verdikt aber gar keine grosse Rolle. «Pierre Maudets Image ist so oder so stark angeschlagen.» Zudem sei die Konkurrenz für die Ersatzwahl gross: Mit einem Kandidaten der FDP, der SVP und der GLP sei die Rechte gespalten, so Sciarini: «Das könnte am Ende der Linken in die Hände spielen.»
Maudet ist bereits im Wahlkampf-Modus. Seine «Permanence» führt er inzwischen in einem Restaurant weiter, das wegen Corona geschlossen ist.