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Fall Spiess-Hegglin Setzt das jüngste Urteil aus Zug den Journalismus unter Druck?

Das Kantonsgericht Zug hat entschieden, dass Ringier Jolanda Spiess-Hegglin wegen persönlichkeitsverletzender Artikel im «Blick» mehrere Hunderttausend Franken zahlen muss. Der Professor für Zivil- und Zivilprozessrecht ordnet die Folgen des Urteils für die Medienbranche ein.

Roland Fankhauser

Rechtsprofessor

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Der Professor für Zivil und Zivilprozessrecht der Universität Basel hat sich ausführlich mit dem Fall Spiess-Hegglin beschäftigt. Er forscht und unterrichtet zum Persönlichkeitsschutz sowie zum Familien- und Erbrecht.

SRF News: Wie sehr hat Sie dieses Urteil überrascht?

Roland Fankhauser: Dieser Entscheid ist nicht überraschend. Das Urteil baut auf Leitentscheidungen des Bundesgerichts in einem Fall rund um die Tennisspielerin Patty Schnyder sowie weiterer Fälle auf, die sich mit den Voraussetzungen der Gewinnherausgabe beschäftigt haben. Dieses erstinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts setzt also um, was das Bundesgericht ein Stück weit schon vorgegeben hat.

Darum ging es im Fall Schnyder aus dem Jahr 2006

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Der «Sonntagsblick» hatte damals in mehreren Artikeln über das zerrüttete Verhältnis zwischen der bekannten Tennisspielerin und ihrem Vater berichtet. Dabei kam es laut Gericht auch zu Persönlichkeitsverletzung von Willy Schnyder. Das Bundesgericht hatte sich dabei erstmals mit der Frage der Gewinnabschöpfung wegen Persönlichkeitsverletzung zu befassen. Es verpflichtete Ringier, Willy Schnyder den Gewinn herauszugeben, den der «Sonntagsblick» mit persönlichkeitsverletzenden Artikeln zum Streit mit seiner Tochter Patty erwirtschaftet hatte. Die Parteien einigten sich jedoch noch vor der Schätzung des Gewinns auf einen Vergleich.

Was bedeutet das für Ringier?

Zunächst einmal, dass sie jetzt erstinstanzlich dazu verpflichtet wurden, diese Zahlung zu leisten. Da Schadenersatzansprüche und Genugtuung vorbehalten wurden, dürften Vergleichsverhandlungen dies auch mitumfassen. Gleichzeitig wird man das Urteil wohl weiterziehen.

Man wird also versuchen, diesem Urteil aus dem Weg zu gehen?

Genau. Ich vermute, solche Urteile wären nicht im Interesse der Verlagshäuser, denn damit könnten zukünftige Kläger die Erfolgsaussichten besser abschätzen. Je klarer die Rechtslage ist, desto besser ist das für die klagende Partei, die das Kostenrisiko trägt und entscheiden muss, ob sie einen Prozess wagen will. Mit jedem Präjudiz – vor allem auch letztinstanzlichen Präjudizien – wird die Abschätzung der Erfolgsaussichten für die klagende Seite einfacher.

Ausserhalb der Boulevardpresse ist die Bedeutung (des Urteils, Anm. d. Red.) zu relativieren.

Es ist für die Verlagshäuser also besser, wenn man einen Vergleich abschliesst statt eines problematischen Urteils?

Ja. 2006 wurde im Fall Patty Schnyder die Rechtslage ein Stück weit geklärt. Und dennoch hat es in den letzten 19 Jahren – soweit ersichtlich – nie ein Urteil gegeben, welches den Gewinn, der herauszugeben ist, genauer bemessen hat. Das zeigt, dass in den anderen Fällen, die ausgetragen wurden, wohl Vergleiche abgeschlossen wurden.

Was bedeutet das für den Journalismus?

Dieses Urteil betrifft den Boulevardjournalismus. Das Bundesgericht hat in Bezug darauf reduzierte Anforderungen gestellt für die Gewinnherausgabe. Die Richterinnen und Richter argumentierten, dass beim Boulevardjournalismus, der teilweise hart an der Grenze von möglichen Persönlichkeitsverletzungen agiert, die Voraussetzungen für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen moniertem Artikel und jeweiligem Gewinn herabgesetzt ist. Ausserhalb des Boulevardjournalismus gilt diese Erleichterung meines Erachtens nicht zwingend, weshalb die Bedeutung dort zu relativieren ist.

Diese Fälle kommen nicht wie Sand am Meer vor.

Wird dieses Urteil nicht zur Handbremse für den Boulevardjournalismus?

Diese verschiedenen Urteile des Bundesgerichts in der Vergangenheit können als Stoppschilder interpretiert werden und haben nun durch ein erstes erstinstanzliches Urteil ein Preisschild bekommen. Das hat natürlich Auswirkungen. In den ersten Reaktionen sagt Ringier ja auch, dass man nicht mehr diesen harten Boulevardjournalismus fahre.

Ist also anzunehmen, dass es zu weiteren Forderungen kommen wird?

Ich sehe das eigentlich nicht unbedingt so. Man muss sehen: die bisherigen Fälle, in denen es um die Gewinnherausgabe ging, waren Extremfälle und eigentliche Medienkampagnen. In den letzten 20 Jahren wurden nur drei oder vier solcher Fälle höchstrichterlich entschieden. Das zeigt ja schon, dass sie nicht wie Sand am Meer vorkommen.

Das Gespräch führte Tobias Bossard.

SRF4 News, 27.1.2025, 9:00 Uhr ; 

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