Der Fall Magnitsky hat alle Ingredienzen eines Thrillers. Russische Beamte und Polizisten, die Steuergelder veruntreut haben sollen. Ein russischer Anwalt, Sergej Magnitsky, der dies aufdeckt, verhaftet wird und im Gefängnis stirbt, sowie ein britischer Grossinvestor, der weltweit alle Hebel in Gang setzt, damit die Verantwortlichen bestraft werden und das Geld konfisziert wird.
Doch es ist keine Fiktion und die Schweiz ist mittendrin. Ein Teil des Geldes soll in die Schweiz geflossen sein. Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt seit 2011, ein zweistelliger Millionenbetrag ist bei Schweizer Banken eingefroren, die Ermittlungen dauern an.
Das sei unerklärlich lang, sagt der britische Grossinvestor William Browder. Auf sein Betreiben hin war die Bundesanwaltschaft aktiv geworden. «Vergleichbare Verfahren in anderen Ländern haben viel später begonnen und sind erledigt.» Das einzige, was ihm dabei in den Sinn käme sei, dass hier Korruption im Spiel sein müsse, im Zusammenhang mit «diesem Polizisten».
Mit «diesem Polizisten» meint Browder den am Dienstag verurteilten Viktor K., der – nach eigener Darstellung vor Gericht – im Fall Magnitsky ermittelte und Zeugen einvernahm.
Einer dieser einvernommenen Zeugen war der frühere SP-Nationalrat Andreas Gross, der im Auftrag des Europarats einen aufwändigen Bericht zum Fall Magnitsky verfasst hatte und die Version von William Browder – nämlich dass Magnitsky Opfer eines Verbrechens wurde – stützte.
Browder fordert, dass Viktor K.s Vorgesetzter bei der Bundeswanwaltschaft, der für Geldwäscherei zuständige Staatsanwalt Patrick Lamon, den Fall abgibt. «Es geht nicht, dass ein Staatsanwalt weiterhin eine Ermittlung verantwortet, wenn er eine Person in seinem Team hatte, die unangemessen Beziehungen zu den Russen hatte.»
«Es handelt sich um ein komplexes Strafverfahren»
Browders Anwälte hatten von der Bundesanwaltschaft verlangt, dass Lamon wegen Befangenheit abgezogen wird. Das wurde von Bundesanwalt Michael Lauber abgelehnt.
«Es gibt zurzeit keine Hinweise darauf, dass eine Änderung der Verfahrensleitung im Strafverfahren erforderlich wäre», schreibt die Bundesanwaltschaft. Es handle sich um ein komplexes Strafverfahren. Die Vortat habe sich im Ausland abgespielt, und die BA sei auf die Rechtshilfe der betreffenden Länder angewiesen.
Der renommierte Schweizer Korruptions- und Geldwäscherei-Experte Mark Pieth wundert sich: «Aufgrund meiner Aktenkenntnis bin ich erstaunt, dass der Fall nicht längst abgeschlossen ist.» Das Verhalten von Herrn Lamon sei erklärungsbedürftig. «Wenn Viktor K, der mit ihm zusammengearbeitet hat, verurteilt wird, stellt sich die Frage der Befangenheit.»
Am Prozess gegen Viktor K. wurde deutlich, wie selbstverständlich und häufig sich die Schweizer Bundesanwaltschaft und die russischen Behörden gegenseitig einluden, an Kongresse in teuren Hotels und an Ausflüge. «Es ist problematisch, wenn unprotokollierte Gespräche stattgefunden haben, gerade in einem solch sensiblen Bereich», so Pieth.
«Wieso bleibt die Schweiz derart inaktiv?»
Dazu kommt: Der Magnitsky-Fall ist besonders heikel, weil man davon ausgehen müsse, dass es sich um Staatskriminalität handle, wie Pieth sagt, also dass der russische Staat mitverantwortlich ist: «Einmal mehr stellt sich die Frage, wieso die Schweiz derart inaktiv bleibt.»