Béartrice Wertli, Generalsekretärin der CVP, freut sich trotz Niederlage, dass ihre Partei über ihre Basis hinaus mobilisieren konnte. Dass die Initiative vielleicht am Argument der Steuerausfälle scheiterte, betrübt sie aber: «Es kann nicht sein, dass die Familien und der Mittelstand immer hintenanstehen und die Finanzen zuerst kommen.»
Steuersystematik nicht hinterfragt
Auch CVP-Vertreterin Lucrezia Meier-Schatz ist enttäuscht über die Ablehnung der Familien-Initiative: «Es ist uns offensichtlich nicht gelungen, eine Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es steuersystematisch keinen Sinn macht, Familienzulagen zu besteuern.» Dies sei eigentlich eine Niederlage des Mittelstandes. Trotzdem sagt Meier-Schatz: «Wir werden weiterhin am Ball bleiben.»
Die roten Zahlen im Jahr 2014 und der Frankenschock habe wohl zu dem Resultat beigetragen, sagt Meier-Schatz: «Dennoch glaube ich, dass andere Faktoren mitgewirkt haben. Sicher einschlägig war, dass die Finanzdirektoren darauf hingewiesen haben, dass die Steuerausfälle kaum zu verkraften seien. Und dass ausgerechnet auch Leute aus unserer Partei sich gegen die Initiative gestellt haben. Diese Faktoren haben sich addiert.»
Schade sei, dass man den Familien zwar Goodwill entgegenbringe, aber dann keinen Mut habe, den nächsten Schritt zu machen. «Ich erinnere daran, dass wir unlängst über eine Bundesvorlage zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf abgestimmt haben», sagt Meier-Schatz. «Diese wurde abgelehnt, obwohl 56 Prozent der Leute ja gestimmt haben. Sie scheiterte am Ständemehr.»
Ruedi Löffel der EVP ist überrascht über die Höhe der Ablehnung. «Man hätte eine gute Möglichkeit gehabt, den Mittelstand zu stärken», sagt er. «Nun hat man diese Chance leider vertan.»
SP will Kindergutschriften, Vereinbarkeit von Familie fördern
Der Fall ist klar für die Vertreterin der SP, Nadine Masshardt. Ihre Partei hat die Initiative im Vorfeld der Abstimmung abgelehnt. «Es ist uns gelungen, aufzuzeigen, dass die Initiative ungerecht ist, dass die Falschen davon profitieren würden.» Die SP habe zeigen können, dass sie andere Rezepte habe, wie Familien gestärkt werden könnten. Ihre Stichworte sind Kindergutschriften und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. «Das Resultat zeigt, dass die CVP hier mit dem falschen Rezept angetreten ist», sagt Masshardt.
Dazu kämen die widrigen Umstände: Während des Abstimmungskampfes hat Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf rote Zahlen für das Jahr 2014 präsentiert, obwohl eigentlich ein Überschuss prognostiziert worden war. «Die Finanzsituation ist schwierig, aber nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Kantonen», sagt Masshardt. Im Kanton Bern zum Beispiel diskutiere man im Moment über Prämienverbilligungskürzungen.
«Das Resultat zeigt, dass die Angst gross war, dass es zu Steuerausfällen kommt.» Diese müssten dann via Sparprogramme kompensiert werden, und diese werden von den Familien getragen. Wenn gespart werden müsse, sei das oft bei Krippenplätzen oder Tagesschulen.
Noch einen anderen Grund für die Ablehnung der Vorlage sieht der grüne Nationalrat Louis Schelbert, der sich gegen die Initiative engagierte: «Die finanzpolitischen Argumente, das ist das eine. Das andere ist, dass diese Initiative weder alle Familien im Auge hatte, noch wenigstens die bedürftigen Familien.»