«Tages-Anzeiger» und «Der Bund» schreiben der CVP einige Merksätze ins familienpolitische Stammbuch: «Die Steuerbefreiung der Ausbildungszulagen wäre einem pauschalen Steuerabzug für alle Eltern gleichgekommen. Die überwiegende Mehrheit sah aber erstens nicht ein, warum Einkommensmillionäre und der obere Mittelstand stärker profitieren sollten als Familien, die eine Steuerentlastung wirklich nötig hätten. (...) Doch die CVP muss zur Kenntnis nehmen, dass Familienförderung allein noch kein mehrheitsfähiges Programm ist. Zudem sind Initiativen für die Mitteparteien kein taugliches Instrument für den Wahlkampf.»
Mit kritischem Unterton kommentiert die «Neue Zürcher Zeitung» das Verhalten des Zuger CVP-Finanzdirektors Peter Hegglin: «Dass sich ausgerechnet die eigenen Finanzdirektoren, prominent angeführt vom Zuger CVP-Finanzdirektor Peter Hegglin, während des Abstimmungskampfs auf die Seite der Gegner schlugen, war wohl mit ausschlaggebend für die direktdemokratische Pleite. (...) Letztlich hat der Abstimmungskampf aber auch gezeigt, dass Familien sich andere Lösungen von der Politik wünschen als blosse finanzielle Erleichterungen mit der Giesskanne. Die selbsternannte 'Partei der Familie' hat es mit dieser Initiative auf jeden Fall verpasst, wirkliche Bedürfnisse moderner Familien zu erfüllen. Wirklich Bilanz ziehen kann die Partei sowieso erst nach den Wahlen im Oktober.»
Als pures Public-Relation-Instrument bezeichnen «Berner Zeitung» und «Der Landbote» das CVP-Ansinnen: «Die Initiative war denn auch völlig offensichtlich als PR-Vehikel für den Wahlkampf konzipiert. Die CVP unterliess es tunlichst, irgendwelche Konflikte zwischen verschiedenen Familienformen und dergleichen zu provozieren. Stattdessen konstruierte sie ihre Initiative so, dass man kaum Nein sagen konnte. Als perfekte Giesskanne hätte sie praktisch alle Familien entlastet. (...) Ideen, wie der Staat helfen könnte, gibt es viele. Teuer sind sie alle. Umso mehr ist anzunehmen, dass höchstens gezielte Entlastungen eine Chance haben. Die Giesskanne hilft nicht weiter.»
Als wenig durchdacht betrachtet die «Basler Zeitung» die familienpolitische Initiative: «Die CVP hat nicht mit dem Meinungsumschwung der SP gerechnet und sie war vor allem nicht auf die Kampagne der Gegner vorbereitet, die mit Kürzungen bei staatlichen Leistungen drohten, die für viele schmerzhaft gewesen wäre. Das hat auch damit zu tun, dass es der CVP an finanzpolitischer Glaubwürdigkeit fehlt. (...) Die SP hat die CVP gestern mit einem Strauss von Ideen heftig umgarnt. Angesichts ihres Bekenntnisses zum Mittelstand könnte das für die CVP aber in einer tödlichen Umarmung enden.»
«Nordwestschweiz» und «Südostschweiz» haben erhebliche Zweifel an der Motivlage der Partei: «Am Inhalt an sich hätte es kaum etwas zu deuteln gegeben: Die Volksinitiative für steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen verfolgte ein gerechtfertigtes Ansinnen. (...) Doch so ehrbar sich die beiden Initiativen präsentiert haben: Die Motive dahinter waren es weniger. (...) So sind denn aus den Wahlkampfmaskottchen von vor vier Jahren zwei Wiedergänger geworden, die sich an ihren undankbaren Urhebern gestern Sonntag grausam gerächt haben: mit einer peinlichen Abstimmungsniederlage ausgerechnet im Wahljahr 2015. Zweifelsohne wird dieser Nackenschlag noch bei der Neubestellung des Parlaments am 18. Oktober ein Echo finden.»
Und der «Blick» glaubt bemerkt zu haben, dass die Mitte seit Jahren neidisch nach rechts schielt: «Mit ihren Kampagnen findet die SVP Mehrheiten im Volk und kann ihre Themen weiter beackern. (...) Das möchten alle anderen auch, aber sie könnens nicht wirklich. (...) Werden Volksbegehren nur noch als Wahlkampf-Vehikel wahrgenommen, nerven sich inzwischen viele Wähler - zu Recht. Hoffen wir also, dass das Signal angekommen ist.»
Kein Mitleid hat das «St. Galler Tagblatt» mit den Initiatoren: «Die Niederlage ist verdient. Sie gilt einer Initiative, die neben dem Sympathiewert der Idee, Kinder- und Ausbildungszulagen von der Steuer zu befreien, eben auch eklatante Konstruktionsfehler hatte. (...) Zwar hätte die Initiative eine - willkommene - Entlastung des Mittelstands bewirkt. Aber zu dem Preis, dass via Giesskanne auch Grossverdiener profitierten, die es nun wirklich nicht nötig haben. (...) Zweitens kann man den Stimmbürgern kein X für ein U vormachen. Sie sind clever genug zu wissen, dass, wo umverteilt wird, nachher irgendwo Geld fehlt.»
Und die «Tageswoche» kommentiert: «Ebenso wenig konnte die Familien-Initiative der CVP mit gescheiten Inhalten punkten. Sie sollte Familienzulagen von der Steuer befreien. Warum nicht, kann man sich fragen? Die Antwort ist einfach: Weil es nichts bringt. (...) eine Mehrheit hätte die Steuergeschenke für eine Minderheit bezahlt. Die CVP versprach sich von der Initiative den Mittelstand zu erreichen. Nur: Den Mittelstand, den die CVP vor Augen hat, den gibt es so nicht mehr. Einen Franken sparen, dafür einen Franken an anderer Stelle ausgeben? Das klingt wenig überzeugend.»
Die «Neue Luzerner Zeitung» kennt auch inhaltliche Gründe für die schallende Ohrfeige: «Doch der falsche Zeitpunkt allein erklärt noch nicht die schallende Ohrfeige, welche das Stimmvolk der CVP am Wochenende verpasst hat. Dass die selbst ernannte Familienpartei, die zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Volksinitiative vor das Schweizer Volk brachte, in ihrem Kernthema nicht einmal einen Achtungserfolg erzielen konnte, liegt auch an der Vorlage selbst. Nicht, dass die Familien keine Erleichterung nötig hätten. (...) Die CVP-Initiative nahm beim Erreichen dieser Ziele zu viele Streuverluste in Kauf. Die Linken monierten, dass reiche Familien übermässig viel profitiert hätten. (...) Und die Wirtschaft vor einer höheren Steuerbelastung, welche am Ende den Mittelstand treffen werde.»
Eine Warnung der Wähler meint «Le Temps» erkannt zu haben: «Die wichtigste Lektion des Abstimmungssonntags ist nicht, dass das Volk gegen die steuerliche Entlastung der Familienzulagen ist. (...) Es ist vielmehr eine Warnung der Wählerschaft an die Adresse jener, die Volksinitiativen lancieren. (...) Die Mitteparteien haben auf ihre Weise ein Marketing-Element geschaffen. (...) Doch das gewählte Thema wird von den Wählern nicht unbedingt als prioritär wahrgenommen, wie sie am Wahltag zum Ausdruck brachten. (...) Die Verbesserung der Familienpolitik wird den Fehlschlag der CVP-Initiative zweifellos überstehen.»
Und in «24 Heures» steht zu lesen: «Als zu wahltaktisch aufgenommen und zu stark auf die hohen Einkommen abzielend, hat die CVP-Initiative an den Urnen gefloppt. Der Wähler sagt zwar nicht immer Nein zu Steuerreduktionen. (...) Doch die Mittelklasse, insbesondere die als obere Mittelklasse bezeichnete, kann gerne weiterhin die Milchkuh des Schweizer Systems sein.»
«Le Matin» konstatiert schliesslich: «Die Zunahme an Initiativen führt zu einer Form des Überdrusses. (...) Doch dass selbst Minderheitsanliegen an die Urnen kommen, ist ein Glaubwürdigkeitsbeweis für unser politisches System.»