- Nach dem Drama von Montreux mit vier Toten gehen die Ermittler und die Staatsanwaltschaft von einem kollektiven Suizid aus.
- Die fünf Mitglieder einer französischen Familie hatten sich am vergangenen Donnerstag aus einer Wohnung in die Tiefe gestürzt.
- Der 15-jährige Sohn überlebte und befindet sich gemäss Polizeiangaben im Koma.
- Zuvor hatte die Polizei erfolglos versucht, dem Familienvater eine Vorladung zu überreichen.
Es habe keinerlei Vorzeichen für eine solche Tat gegeben, wie die Kantonspolizei Waadt nach fünftägigen Ermittlungen mitteilt. Diese hätten gezeigt, dass die Familie seit Beginn der Pandemie sehr an Verschwörungstheorien und Survival-Thesen interessiert gewesen sei. «Aber es gibt keine Spur, die uns in zu einem sektenhaften Milieu führt», sagte Jean-Christophe Sauterel, Sprecher der Kantonspolizei Waadt gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Familie habe einen beeindruckenden Vorrat an Lebensmitteln aller Art angelegt, der sehr gut organisiert gewesen sei. Laut Polizeiangaben nahm der Vorrat mehrere Räume der Wohnung ein und sollte es der Familie ermöglichen, eine grosse Krise zu bewältigen.
Zustand des Sohns stabil
Die fünf Mitglieder einer französischen Familie hatten sich am vergangenen Donnerstag in Montreux aus dem siebten Stock einer Wohnung in die Tiefe gestürzt. Dabei kamen der 40-jährige Vater, die 41-jährige Mutter, deren Zwillingsschwester und die achtjährige Tochter des Ehepaars ums Leben. Der 15-jährige Sohn überlebte. Er befindet sich im Koma und konnte deshalb noch nicht befragt werden. Sein Zustand ist laut Polizeiangaben stabil.
Die Untersuchungsbehörden ordneten Autopsien der Leichen an. Die detaillierten Ergebnisse der toxikologischen Analysen waren am Dienstag nicht bekannt, wie Polizeisprecher Sauterel sagte.
Gemäss Polizei lebte die Familie beinahe autark und zog sich aus der Gesellschaft zurück. Nur die Zwillingsschwester der Mutter arbeitete ausserhalb des Hauses. Weder die Mutter noch ihre achtjährige Tochter waren bei der Einwohnerkontrolle in Montreux gemeldet. Das erkläre auch, warum das Kind nicht zur Schule gegangen sei, schreibt die Polizei im Communiqué.
Angst vor Einmischung durch Behörden
Wie bereits bekannt, war der Heimunterricht des 15-jährigen Sohns der Grund für das Verfahren des Oberamts gegen den Vater. Weil dieser einer polizeilichen Vorladung nicht Folge leistete, wurden die Gendarmen bei der Wohnung der Familie vorstellig. Die Ermittlungen deuteten darauf hin, dass die Familienmitglieder Angst vor einer Einmischung der Behörden in ihr Leben hatten. «Er war allen Vorladungen, die er erhalten hatte, nicht nachgekommen. Deshalb musste die Polizei eingreifen», erklärte Polizeisprecher Sauterel.
Das Eingreifen einer Drittperson schliesst die Polizei aus. Die fünf Personen stürzten kurz vor 07.00 Uhr innerhalb von fünf Minuten nacheinander in die Tiefe.
Keine Spuren eines Kampfes
Vor oder während der Tat habe keiner der Zeugen, einschliesslich der beiden Polizisten, die ab 06.15 Uhr vor Ort waren, und der Passanten, die sich am unteren Ende des Gebäudes befanden, irgendwelche Geräusche oder Schreie aus der Wohnung oder vom Balkon gehört. Es habe keine Kampfspuren gegeben.
Die beiden Polizisten wollten in dem Gebäude den Vorführungsbefehl für den Familienvater zustellen. Sie klingelten an der Tür und meldeten sich an. Da sie nicht eintreten konnten, gingen sie nach einer Wartezeit von einigen Minuten unverrichteter Dinge, wie dies die Vorschriften vorsehen. Danach stürzten sich die fünf Menschen in die Tiefe.