In Sachen Vertretung im Bundesrat sieht sich die Zentralschweiz vernachlässigt. Die Statistik untermauert diesen Eindruck gleich doppelt.
Zum einen sind fast 20 Jahre vergangen, seitdem der letzte Zentralschweizer Bundesrat, der Luzerner Kaspar Villiger, aufgehört hat. Zum anderen zeigt die geografische Verteilung: Fünf Kantone der Schweiz konnten noch nie einen Bundesrat oder eine Bundesrätin stellen – drei davon sind Zentralschweizer Kantone. Konkret sind es Schwyz, Uri und Nidwalden, die neben Schaffhausen und Jura bislang leer ausgegangen sind.
Mit dem Rücktritt von SVP-Bundesrat Ueli Maurer steht nun die nächste Gelegenheit an, dass es die Zentralschweiz wieder in die Landesregierung schaffen könnte. Immerhin stammt die Hälfte der vier bislang bekannten Kandidaturen aus der Zentralschweiz.
Zweifache Premiere möglich
Es sind die Nidwaldnerin Michèle Blöchliger und der Zuger Heinz Tännler. Beide führen in ihren Kantonsregierungen die Finanzdirektionen an. Würde Blöchliger Bundesrätin, wäre es gleich eine zweifache Premiere. Sie wäre nicht nur die erste Gewählte aus dem Kanton Nidwalden, sondern auch die erste Frau aus der Zentralschweiz, die dies geschafft hätte.
Allerdings: Der Weg in die Landesregierung dürfte für die Zentralschweiz auch diesmal steinig sein. Tännler und Blöchliger müssen sich - Stand jetzt - gegen zwei politische Schwergewichte aus dem Kanton Bern durchsetzen: gegen den früheren Präsidenten der SVP Schweiz, Albert Rösti, und gegen Ständerat Werner Salzmann.
Sie wählen halt lieber Leute, mit denen sie bereits zu tun hatten.
Sich neben Bundesparlamentariern zu behaupten, sei für Kantonspolitikerinnen und -politiker grundsätzlich schwierig, sagt SRF-Bundeshausredaktor Dominik Meier: «In den letzten 40 Jahren haben es nur gerade fünf Regierungsrätinnen und -räte in den Bundesrat geschafft. Die Chancen sind also gering.»
Der Bundesrat wird von National- und Ständerat gewählt. Und deren Mitglieder «wählen halt lieber Leute, mit denen sie bereits zu tun hatten oder die sie zumindest schon einmal beim Apéro getroffen haben.»
Regionale Verteilung ist nur teils wichtig
Vernetzung in Bern alleine reicht aber bei der Bundesratswahl nicht. Auch die regionale Verteilung ist ein gewichtiges Kriterium. Allerdings in erster Linie, wenn es um die Romandie und das Tessins geht: Weniger als zwei Bundesratsmitglieder aus der lateinischen Schweiz - «das wäre völlig undenkbar», sagt Dominik Meier. «Die Aufteilung unter den Deutschschweizer Regionen hingegen ist weniger zwingend.»
Diese Politiker und Politikerinnen könnten Maurers Nachfolge antreten
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Bild 1 von 15. Wer folgt auf Bundesrat Ueli Maurer? Bis Ende Woche können die Kantonalparteien ihre Kandidierenden für die Nachfolge von Maurer melden. Danach gibt es eine Auswahl innerhalb der SVP Schweiz. Am 7. Dezember 2022 findet dann die Ersatzwahl statt. Bildquelle: Keystone/Peter Klaunzer.
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Bild 2 von 15. Kronfavorit: Albert Rösti. Der Berner Nationalrat und frühere Präsident der SVP Schweiz will Bundesrat werden und hat seine Kandidatur vor den Medien bekannt gegeben. Der 55-Jährige ist promovierter Agronom und seit 2011 Nationalrat. Bildquelle: Keystone / ENNIO LEANZA.
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Bild 3 von 15. Kandidatin: Michèle Blöchliger. Die knapp 55-jährige Finanzdirektorin des Kantons Nidwalden hat ihre Kandidatur bekannt gegeben. Die SVP-Politikerin ist die zweite Kandidatin aus der Zentralschweiz und wäre das erste Nidwaldner Bundesratsmitglied. Zudem ist sie die erste Frau, welche ins Rennen steigt. Blöchliger ist Anwältin und war in Kanzleien und für Grossbanken tätig. Bildquelle: Keystone/Archiv/URS FLUEELER.
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Bild 4 von 15. Kandidat: Werner Salzmann. Der Berner SVP-Ständerat will Bundesrat werden. Er hat seine Kandidatur auf Nau.ch bekannt gegeben. Er habe das Anforderungsprofil studiert und sei zum Schluss gekommen, dass er es erfülle. Der 59-jährige Steuerchefexperte der Steuerverwaltung des Kantons Bern ist seit 2019 Ständerat, zuvor war er während einer Legislatur Nationalrat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 15. Kandidat: Heinz Tännler. Der Zuger SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler hat in der «Schweiz am Wochenende» bekannt gegeben, für den Bundesratssitz kandidieren zu wollen. Bildquelle: Keystone/Urs Flueeler.
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Bild 6 von 15. Kandidat: Hans-Ueli Vogt. Hans-Ueli Vogt hat die SVP von 2015 bis 2021 bereits im Nationalrat vertreten, bevor er zurückgetreten ist. Nun will er Nachfolger von Ueli Maurer werden. Der 52-Jährige ist Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht. Bildquelle: Keystone/Peter Klaunzer.
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Bild 7 von 15. Verzicht: Thomas Aeschi. Der SVP-Fraktionspräsident vertritt den Kanton Zug seit 2011 im Nationalrat. Aeschi gehört zu den sogenannten Hardlinern. Er kandidierte bereits 2015 für den Bundesrat, die vereinigte Bundesversammlung sprach sich damals aber für Guy Parmelin aus. Nun startet er keinen neuen Versuch. Bildquelle: Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE.
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Bild 8 von 15. Verzicht: Natalie Rickli. Die Zürcher Gesundheitsdirektorin hätte die erste von der Partei anerkannte SVP-Frau in der Landesregierung werden können. Doch Rickli verzichtet auf eine Kandidatur. Die Bevölkerung solle sich weiterhin auf ein hervorragendes Gesundheitswesen verlassen können, twitterte die Vorsteherin der Zürcher Gesundheitsdirektion. Bildquelle: Keystone / Ennio Leanza.
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Bild 9 von 15. Verzicht: Magdalena Martullo-Blocher. Die Unternehmerin und Nationalrätin (Kanton Graubünden) ist keine Frau der leisen Töne und könnte ihren Vater im Bundesrat beerben. Allerdings: Magdalena Martullo-Blocher hat bereits mitgeteilt, dass sie sich als Nachfolgerin nicht zur Verfügung stellen werde. Bildquelle: Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE.
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Bild 10 von 15. Verzicht: Esther Friedli . Die St. Galler Nationalrätin Esther Friedli zählte zu den Favoritinnen für das Amt, entschied sich aber gegen eine Kandidatur. Sie will nun den freiwerden Sitz von SP-Mann Paul Rechsteiner im Ständerat erobern. Die 45-jährige Esther Friedli sitzt seit 2019 im Nationalrat und ist Partnerin vom ehemaligen SVP-Präsidenten Toni Brunner. Bildquelle: Keystone / PETER KLAUNZER.
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Bild 11 von 15. Verzicht: Thomas Matter. Der 56-jährige Zürcher SVP-Nationalrat verzichtet auf eine Bundesratskandidatur. Er hatte zwar Gespräche mit der Kantonalpartei geführt. Schliesslich begründete er seine Absage in der «NZZ» aber mit seiner Tätigkeit als Bankier und Familienunternehmer. Es sei für ihn «nicht so wichtig», dass der Nachfolger von Maurer ebenfalls aus Zürich komme. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 15. Verzicht: Toni Brunner. Die SVP würde ihn gerne als Bundesrat sehen. Seit Toni Brunner Ende 2018 seine politische Laufbahn beendet hat, ist es eher still geworden um den langjährigen SVP-Präsidenten (2008-2016). Die Toggenburger Frohnatur hat gegenüber der «NZZ am Sonntag» eine Kandidatur definitiv ausgeschlossen. Bildquelle: Keystone / STEFFEN SCHMIDT.
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Bild 13 von 15. Verzicht: Gregor Rutz. Der erfahrene Zürcher Nationalrat und frühere Generalsekretär der SVP ist öffentlich weniger präsent als hinter den Kulissen. Gregor Rutz politisiert klar auf Parteilinie. Mittlerweile hat er seinen Verzicht auf eine Kandidatur bekannt gegeben. Bildquelle: Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE.
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Bild 14 von 15. Verzicht: Diana Gutjahr. Die Thurgauer SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Diana Gutjahr steht momentan nicht für das Bundesratsamt zur Verfügung. Neue Möglichkeiten müssten immer mit der aktuellen Lebensphase vereinbar sein, sagte die 38-Jährige der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Als 'Frisch-Mami würde dies in meinen aktuellen Lebensabschnitt nicht passen.». Bildquelle: Keystone/Alessandro della Valle.
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Bild 15 von 15. Verzicht: Monika Rüegger. Die Obwaldner SVP-Nationalrätin will nicht Nachfolgerin von Bundesrat Ueli Maurer werden, wie sie am 13. Oktober via Twitter mitteilte. Sie möchte weiterhin die Interessen Obwaldens «mit klar bürgerlicher Politik» in Bern vertreten und nebst der Arbeit im Parlament Zeit für ihre Familie haben. Bildquelle: Keystone/PETER SCHNEIDER.
Leichte Vorteile für Michèle Blöchliger
Trotzdem sind laut Dominik Meier die Chancen zumindest intakt, dass es ein Name aus der Zentralschweiz auf das Auswahlticket der SVP schaffen wird. Er sieht dabei leichte Vorteile für die Nidwaldnerin Michèle Blöchliger, obwohl sie etwas weniger bekannt ist als der Zuger Heinz Tännler.
Für Blöchliger spreche aber, dass sie bislang die einzige Frauenkandidatur ist. Und sie hat die Unterstützung des Nidwaldner Nationalrats und Generalsekretärs der SVP Schweiz, Peter Keller. Dieser könne ihr «im Berner Haifischbecken Bundeshaus» sicher helfen.
Geduld könnte gefragt sein
Alles in allem aber schätzt SRF-Bundeshausredaktor Meier die Chancen eher als gering ein, dass am 7. Dezember Michèle Blöchliger oder Heinz Tännler gewählt wird. Gut möglich, dass sich die Region weiter auf die Schlagzeile «Die Zentralschweiz ist wieder im Bundesrat» gedulden muss.