Die Stimmung ist konzentriert. Jeder und jede am Tisch starrt auf die Spielkarten in der Hand. Lässig werden die Karten in die Tischmitte gelegt. Sprüche werden geklopft. Eine Szene, die sich heute genauso abspielen kann wie vor 300 Jahren.
Denn im 18. und 19. Jahrhundert gehörte es zum guten Ton, dass man Karten spielen konnte. «Es ist faszinierend zu sehen, dass alle mit Karten gespielt haben», sagt Andreas Affolter.
«Es gibt Belege, dass in Wirtshäusern gespielt wurde oder in Zunfthäusern. Belegt ist auch, dass die Geistlichen eifrige Kartenspieler waren.» Andreas Affolter hat zur Kartenherstellung in der Stadt Solothurn geforscht.
Denn Solothurn entwickelte sich Anfang des 18. Jahrhunderts zu einer Hochburg der Kartenherstellung in der Schweiz. Begonnen habe dies aus der Not, erzählt Affolter. Pionier war der Drucker Franz Joseph Heri. «Er lebte von Aufträgen von der Obrigkeit, die ihm dann aber entzogen wurden.»
Deshalb begann Heri mit der Herstellung von Spielkarten. Dabei wurden unter anderem Karten für das französische Spiel Tarock hergestellt, ein Spiel mit 78 aufwändig gestalteten Karten. Das erste Tarockspiel, das in der Schweiz hergestellt wurde, stammt von Heri, aus dem Jahr 1718.
Warum ausgerechnet Solothurn zur Spielkarten-Hochburg wurde, sei nicht klar, sagt Affolter. Möglicherweise habe dies damit zu tun, dass in der Stadt viele Söldner verkehrten, die das Tarock aus Frankreich in die Stadt brachten.
Franz Joseph Heri war der erste von rund einem Dutzend Solothurner Spielkartenherstellerinnen und -herstellern. Die Spielkartenproduktion war aufwändig. Zunächst wurde dabei der Karton hergestellt, danach wurden die Sujets gedruckt und mit Schablonen koloriert. Schliesslich wurden die Karten versiegelt, damit sie in der Hand gut glitten.
Ein solches Kartenspiel aus einer Manufaktur war dementsprechend nicht günstig: Allerdings konnten sich Handwerker oder einfache Bürger Kartensets durchaus leisten, sagt Affolter.
Kartenspiele wurden zum Problem
Das «normale» Volk hat im Solothurn des 18. und 19. Jahrhunderts oft um Geld gespielt. Simple Spiele, bei denen z.B. die höhere Karte gewinnt – oder auch Tarock. Dabei sei es meist um Geld gegangen, erzählt Andreas Affolter.
Ganze Familien wurden in den Ruin getrieben.
«Es wurde um riesige Einsätze gespielt, um Goldmünzen etwa», sagt Affolter. Dies konnte allerdings auch zum Problem werden. «Das hat ganze Familien in den Ruin getrieben.» Deshalb hat die Solothurn Regierung immer wieder versucht, das Spielen mit Karten zu reglementieren. «Exzesse sollten verhindert werden.»
Dabei wurden Maximaleinsätze festgelegt oder ein Verbot von Kartenspielen in der Nacht ausgesprochen. Rigorose Kerkerstrafen wurden dabei vor allem gegen Bauern oder einfache Handwerker verhängt, während Patrizier mit einer kleinen Geldbusse davon kamen.
Spielkarten wurden in Solothurn bis etwa 1850 hergestellt. Daneben gab es in der Schweiz andere grosse Produktionsorte wie Mümliswil (SO), Freiburg, Lausanne oder Genf. Schliesslich setzte sich das Unternehmen AGMüller aus Schaffhausen durch und verdrängte die meisten anderen Produzenten.
Verdrängt wurde auch das Kartenspiel Tarock, das heute in der Schweiz kaum mehr bekannt ist. Einzig in der Bündner Surselva (als «Troccas») und in der Region Visp im Wallis (als «Troggu») hat das Spiel überdauert. Seit kurzem trifft sich auch in Solothurn eine kleine Runde rund um Andreas Affolter, um Tarock zu spielen.