Der Schweizer Provider Protonmail bietet einen verschlüsselten und anonymen Mail-Dienst an mit dem Slogan «Schweizer Privatsphäre. Sichere E-Mail aus der Schweiz». Diese wird nicht nur von Journalisten, Aktivisten und Oppositionellen in Unrechtsstaaten gerne genutzt, sondern auch von Kriminellen. Der Provider ist deshalb ein Dorn im Auge der Strafverfolgungsbehörden.
Laut Lulzana Musliu, Sprecherin des Bundesamts für Polizei fedpol, gibt es immer häufiger Probleme. Zum Beispiel mit Leuten, die mit Protonmail Drohungen verschickten. Konkret: «Wir hatten zum Beispiel eine Anfrage von den amerikanischen Behörden. Da ging es um eine konkrete Amok-Drohung gegen eine Highschool.» Als die Behörde beim E-Mail-Anbieter in der Schweiz nach der IP-Adresse dieser Person gefragt hat, konnte der Provider nicht weiterhelfen.
Im Gegensatz zu ganz grossen, bekannten Mailanbietern speichert Protonmail gar keine Daten über seine Nutzer. Das gehört zu seinem Geschäftsmodell und zu seinem Erfolgsrezept. Über Protonmail laufen weltweit sechs Millionen Mailkonten.
Kriminelle könnten Identität ohnehin verschleiern
Firmenchef Andy Yen bestätigt: Fedpol habe das Gespräch gesucht mit seiner Firma. Die Schweizer Behörden wollten seine Firma dazu bringen, mehr Daten zu speichern. Das sei der falsche Ansatz, sagt Yen. Kriminelle könnten ihre Identität im Netz ohnehin verschleiern – Daten zu speichern bringe nichts – und sei gefährlich: Denn Daten könnten gehackt oder missbraucht werden – wie aktuell im Fall von Facebook.
Er verstehe zwar, dass die Schweizer Polizei für die Jagd nach Kriminellen Daten wolle, sagt Yen. Der Trend gehe aber in Richtung «mehr Privatsphäre». Dabei meint er die Entwicklung in der EU: Dort hat sich der Gerichtshof gegen die Speicherung von Daten zum Mail-Verkehr ausgesprochen. In der Schweiz müssen Anbieter die Daten eigentlich speichern. Für kleinere aber gibt es Ausnahmen.
Bundesstelle muss noch Pflichten regeln
Nils Güggi vertritt den Dienst ÜPF, die Bundesstelle, die Überwachungen und Datenabfragen bei Mail-Anbietern durchführt. Güggi sagt: Seine Behörde sei erst dabei, die Pflichten von Protonmail und ähnlichen Diensten im Detail zu regeln. Klar sei aber jetzt bereits: Protonmail lasse sich kaum zwingen, umfassend Verbindungsdaten, geschweige denn Inhalte von Mails zu liefern.
Das Bundesamt für Polizei Fedpol hofft nun weiter auf freiwillige Zugeständnisse: Gerade für die internationale Polizei-Zusammenarbeit sei es ein Problem, wenn eine Schweizer Firma nicht Hand biete im Kampf gegen Verbrechen, sagt Sprecherin Musliu.
Firmenchef Yen beeindruckt das nicht: Protonmail habe einen enormen gesellschaftlichen Nutzen: Weltweit könnten sich dank seiner Firma Journalisten – aber auch Aktivistinnen und Oppostionielle in Unrechtsstaaten sicher austauschen.
Falls es ernsthafte Probleme gebe mit den Schweizer Behörden, sagt Yen, dann ziehe Protonmail halt in einen EU-Staat. Von seinem Geschäftsmodell abrücken will er nicht. Viel eher gibt er seinen zweiten Trumpf aus der Hand: Die Swissness.