Zum Inhalt springen

Fedpol gegen die Mafia «Die Nähe zu Norditalien ist eine Gefahr für die Schweiz»

Das Bundesamt für Polizei Fedpol will den Kampf gegen die Mafia in der Schweiz verstärken und hat bereits Massnahmen ergriffen. Das Vorgehen ähnelt stark dem Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus. Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt Paolo Bernasconi kämpfte selbst gegen die Mafia. Gefahr für die Schweiz sieht er nur schon wegen der geografischen Nähe zu Italien.

Paolo Bernasconi

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Mit 26 Jahren war Paolo Bernasconi bereits Staatsanwalt (von 1969 bis 1985) des Kantons Tessin – und machte sich umgehend einen Namen mit seinem Kampf gegen Geldwäscherei und Steuerhinterziehung. Prozesse, die er führte, machten international Schlagzeilen – vor allem auch gegen die Mafia. Später arbeitete er den Vorschlag für das Schweizer Geldwäschereigesetz aus und beriet die Vereinten Nationen, den Europarat und die OECD in ähnlichen Fragen. Bis heute ist er als Anwalt tätig.

SRF: Herr Bernasconi, wächst die Mafia in der Schweiz?

Paolo Bernasconi: Das ist schwierig einzuschätzen, das meiste spielt sich ja im Verborgenen ab. Aber die Fälle, die wir insbesondere aus Norditalien kennen, zeigen, dass das organisierte Verbrechen sehr aktiv ist. Dort haben sich verschiedene Organisationen aus Süditalien angesiedelt. Für die Schweiz besteht nur schon wegen der Nähe eine Gefahr.

Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle sagt, man habe die Gefahr unterschätzt bisher. Sehen Sie das auch so?

Nun, es gibt durchaus grosse Fortschritte in der Mafiabekämpfung der Schweiz. So haben wir seit ein paar Jahren einen Polizeivertrag mit Italien. Das hat die Zusammenarbeit verbessert. Die Strafverfolgungs- und Polizeibehörden verfügen zudem über beobachtungstechnische Mittel, die zu meiner Zeit als Staatsanwalt völlig unbekannt waren. Die organisierte Kriminalität entwickelt sich aber, und darum muss sich auch ihre Bekämpfung weiterentwickeln.

Das heisst, Sie unterstützen die neue Strategie der Fedpol-Chefin?

Ja, die finde ich sehr interessant. Das ist ein grosser Fortschritt. Ich begrüsse, dass man die Mittel, die man gegen den Terrorismus schon kennt, nun auch gegen die organisierte Kriminalität einsetzt – die nicht aus politischen Gründen aktiv ist, sondern schlicht aus Gier. Und ich finde es gut, dass man nicht mehr plump nur auf eine Erhöhung der Maximalstrafe setzt. Es ist ganz wichtig, dass man eine Strategie hat, die alle möglichen Stellen miteinschliesst. Besonders wichtig finde ich dabei auch die Handelsregisterämter und die Steuerbehörden. Die sind nah dran, die sollte man informieren über Vorgehensweisen, die bei bestehenden Mafiafällen auffallen – auch dort, wo es nicht gereicht hat für eine Verurteilung.

Della Valle kündigt nicht als erste einen intensiveren Kampf gegen die Mafia an, solche Ankündigungen machten auch schon Vorgänger und Bundesanwälte. Trotzdem sind nicht besonders viele Mafiosi verurteilt worden.

Das stimmt, aber die Wirkung solcher strategischen Initiativen darf man nicht nur anhand der Verurteilungen bewerten. Ein wichtiger Indikator ist auch der Betrag aus beschlagnahmten Vermögenswerten deliktischer Herkunft. Dort sind wir sehr gut platziert. Und auch die Zahl der verhängten Einreisesperren ist wichtig. Man hat also durchaus Fortschritte gemacht, aber es wird ewig Anpassungen brauchen.

Was bräuchte es sonst noch im Kampf gegen die Mafia?

Eine Lücke gibt’s bei der Ausbildung jener Personen bei Staatsanwaltschaft und Polizei, welche Verhöre führen mit Mafia-Verdächtigen. Das braucht besondere Erfahrung und Schulung, das kann man nicht irgendeinem Staatsanwalt oder einem guten Ermittler überlassen. Die Verhöre gehören zu den wichtigsten Quellen einer Ermittlung. Das sollte man dringend verbessern.

Das Gespräch führte Nathalie Christen.

Meistgelesene Artikel