Am Donnerstagnachmittag sind bei der Allmenalpbahn bei Kandersteg 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Fels abgebrochen. Beim Sturz in die Tiefe wurde niemand verletzt. Auch die Häuser blieben verschont. Der Fels wurde seit Dezember von der Firma Geotest eng überwacht. CEO Daniel Tobler hatte vor dem Abbruch gewarnt. Er war beim Geschehnis zufällig vor Ort.
SRF News: Wie zuverlässig kann die Fachwelt solche Felsstürze voraussagen?
Daniel Tobler: Das kommt immer auf den Mechanismus darauf an. Im aktuellen Fall war das Schadenpotenzial relativ weit weg. Dadurch konnten wir mit einfachen Messungen aus der Distanz sagen, dass aktuell eine kritische Phase herrscht. Man musste es nicht auf die Minute genau voraussagen.
Wie können Sie solche Felsstürze voraussagen?
Im Hintergrund gibt es ein geologisches Modell. Das steht im Zusammenhang mit Klüften im Gestein und mit dem Mechanismus – wir können davon ausgehen, wie sich das Gestein verhalten wird im Zusammenhang mit einem Abbruch, bei Wärmeeinbrüchen, bei drückendem Wasser in den Klüften.
Basierend auf Bewegungen kann ein Abbruchzeitpunkt prognostiziert werden.
So kann man die Bewegungen mit Distanzmessungen oder mit anderen Messgeräten relativ zuverlässig erfassen. Basierend auf diesen Bewegungen kann ein Abbruchzeitpunkt prognostiziert werden.
Wann gelingen solche Voraussagen nicht?
Eine Prognose ist überall dort schwierig, wo es zu einem spontanen Abbruch ohne Bewegungen im Voraus kommt. Man weiss dann nicht richtig, wo oder wann man hinschauen muss. Man muss die Dispositionen finden und erkennen, wo und wann ein kritischer Punkt erreicht werden kann.
Hat der Klimawandel beim Felssturz in Kandersteg eine Rolle gespielt?
Nein, der Klimawandel hatte nichts damit zu tun. Das war ein normaler Verwitterungsprozess in einer Felswand. Mit der richtigen Grunddisposition zusammen wurde das Gestein geschwächt. In den letzten zwei Monaten hatten wir Frost- und Tauwechsel, die den Felsverband schwächten. An den letzten zwei Tagen oder am letzten Tag ist Wasser in den Felsen eingetreten. Das konnte den Felssturz auslösen.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel grundsätzlich auf solche Felsstürze?
Mit der Erwärmung hat die Felssturzgefährdung in den Alpen a priori zugenommen. Früher gefrorene Bereiche tauen sukzessive auf. Eis und Permafrost mit stabilisierender Wirkung tauen auf. Wasser ist frei zugänglich. Bei fast allen Massenbewegungen in den Alpen ist Wasser eine treibende Kraft.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf Ihre Tätigkeit der Überwachung?
Die Überwachung kommt sicher an Grenzen. Doch in den letzten Jahren wurden neue Technologien entwickelt. Kritische Bereiche können mittels Satelliten und Drohnen aus der Distanz frühzeitig ermittelt werden. Durch grossflächige Analysen in den Alpen erkennen wir potenziell kritische Bereiche.
Wir müssen die Prozesse frühzeitig erkennen.
Wir kennen viele Gebiete und daraus entstehen Prozessketten. Wir müssen die Prozesse frühzeitig erkennen, gerade, wenn sie bis in den Siedlungsraum kommen. Da ist man auf gutem Weg.
Das Gespräch führte Nina Gygax.