- In Altstetten (ZH) wurde vergangenen Mittwoch eine 30-jährige Frau mutmasslich von ihrem 46-jährigen Ehemann erstochen.
- In Netstal (GL) wurde in der Nacht auf Samstag, gemäss Polizeiangaben in einem Beziehungsdelikt, eine 30-jährige Frau mutmasslich von einem 27-jährigen Mann erschossen.
- Diese Femizide sind keine Einzelfälle. Bereits mindestens 21 waren es in der Schweiz seit Anfang Jahr. Offizielle Statistiken zu Femiziden gibt es bisher nicht.
- Der Bund plant nun eine Zusatzerhebung zu allen Tötungsdelikten.
Ein Femizid ist gemäss Europäischem Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) eine Tötung von Frauen, Mädchen oder weiblich gelesenen Personen aufgrund ihres Geschlechts. Man spricht von einem Femizid, wenn eine Frau zum Beispiel von ihrem Partner oder Ex-Partner, oder von männlichen Familienmitgliedern getötet wird. Auch zielgerichtete tödliche Hass-Verbrechen gegen cis / trans Frauen und Mädchen fallen unter diesen Begriff.
Femizide sind keine Einzelfälle
Mindestens 21 Femizide sind es in der Schweiz bereits seit Anfang Jahr. Das zeigt die Auflistung des Rechercheprojekts stopfemizid.ch.
Fehlende Statistiken zu Femiziden
Bis jetzt fehlen offizielle Statistiken von Femiziden in der Schweiz. Ein entsprechender Antrag von Nationalrätin Tamara Funiciello (SP), der die statistische Erhebung von Femiziden forderte, wurde im Sommer im Parlament abgelehnt.
Diese Menschen werden getötet, weil sie Frauen sind, oder als Frauen eingeordnet werden.
Der Bund weist aktuell nur Gewaltstraftaten und Tötungsdelikte nach Geschlecht und im Bereich häusliche Gewalt aus. Motiv und Hintergründe der Tat werden allerdings nicht erfasst. Das müsse sich ändern, finden Frauenrechts-Organisationen.
Simone Eggler, verantwortlich für den Bereich «Politik» bei Brava (ehem. «Terre de Femmes»), sagt: «Diese Menschen werden getötet, weil sie Frauen sind, oder als Frauen eingeordnet werden. Es ist ganz wichtig, diese Ursachen zu benennen und auch anzuerkennen. Ebenso ist es wichtig, dass jeder einzelne Fall angeschaut wird.»
Tathintergründe sollen erfasst werden
Es tut sich was in Bundesbern; und zwar im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention. Ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt, das in der Schweiz seit 2018 in Kraft ist. Aktuell führt das Bundesamt für Statistik im Rahmen der Istanbul-Konvention mit Unterstützung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) eine auf fünf Jahre (2019-2024) angelegte Zusatzerhebung bei sämtlichen Tötungsdelikten durch.
Ziel ist es, mehr Kenntnisse zu haben, wie es zu Tötungsdelikten kommt und daraus Massnahmen abzuleiten, wie solche Tötungsdelikte in Zukunft verhindert werden können.
Ziel dieser Zusatzerhebung ist es, detailliertere Informationen zu den Lebensumständen von Opfern und Tätern, sowie über die näheren Tatumstände, Motive und Ursachen von Tötungsdelikten zu erhalten. Das sei wichtig für die Präventionsarbeit, erklärt Gian Beeli, Leiter des Fachbereichs «Gewalt» beim Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG): «Ziel ist es, mehr Kenntnisse zu haben, wie es zu Tötungsdelikten kommt und daraus natürlich Massnahmen abzuleiten, wie solche Tötungsdelikte in Zukunft verhindert werden können».
Auswirkungen der Pandemie
Die Ergebnisse der Zusatzerhebung werden voraussichtlich 2025 publiziert. Aber gemäss EBG sollen bereits Anfang 2022 erste Daten vorliegen, die im Rahmen der Umsetzung eines Vorstosses von Ständerätin Maya Graf (Grüne) analysiert wurden. Daraus erhoffen sich die Opferhilfe-Organisationen auch erste Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Solange in der Schweiz durchschnittlich alle zwei Wochen eine Frau ermordet wird, so Simone Eggler von Brava, bleibe Gewalt an Frauen ein strukturelles und gesellschaftliches Problem, das alle etwas angeht.