Die SBB ist mit dem Ansinnen des Bundesamtes für Verkehr BAV nicht einverstanden, dass ab Ende 2019 die BLS die Strecken Bern – Biel und Bern – Burgdorf – Olten bedienen soll. Bislang hat die SBB die Passagiere auf diesen Strecken befördert. Die SBB will einen allfälligen Vergabe-Entscheid anfechten, weil sie höhere Preise und eine schlechtere Qualität für die Bahnpassagiere befürchtet.
Ob diese Befürchtung tatsächlich zutrifft, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass der gesamte öffentliche Verkehr – mit insgesamt über 240 unterschiedlichen Transportunternehmen – heute weitestgehend reibungslos funktioniert, lässt zumindest vermuten, dass dieses «Uhrwerk» durch die Streckenvergabe nicht komplett auseinanderfallen dürfte. Die betrieblichen Abläufe verändern sich höchstens geringfügig.
Zudem ist es ohnehin eine Rückkehr zur Situation von vor 2004: Damals standen sich die SBB und die BLS im Fernverkehr schon einmal als Konkurrenten gegenüber. Komplett neu ist die Situation also nicht.
Politische Grundsatzdiskussion gefordert
Doch die Kritik der SBB geht über die «innerbernische» Streckenvergabe hinaus: Bevor an einzelnen Schrauben gedreht werde, fordert sie eine politische Grundsatzdiskussion über die Zukunft des Bahnverkehrs in der Schweiz. Es geht der SBB dabei um verschiedene Themen: die Finanzierung der Infrastruktur durch den Fernverkehr, die Rolle der Fernbusse, neue Vertriebskanäle für Billette oder die Zugsverbindungen zwischen der Schweiz und dem Ausland.
Im Bereich der Fernbusse beispielsweise hat das BAV inzwischen bereits einen Entscheid getroffen und sich für mehr Wettbewerb ausgesprochen. Gleichzeitig drängen durch den technologischen Wandel neue Akteure in den Bereich des öffentlichen Verkehrs. Die SBB wird also von verschiedenen Seiten herausgefordert.
Bei gewissen Entwicklungen ist die SBB vorne dabei und ist mitunter sogar die treibende Kraft. Etwa mit dem neuen Mobilitätsangebot «Green Class». Sie verschliesst sich dem wandelnden Umfeld also keinesfalls.
Gleichzeitig verteidigt sie ihr angestammtes Geschäft – vor allem, wenn es einträglich ist wie der Fernverkehr. Demzufolge ist nachvollziehbar, dass sich die SBB jetzt lautstark zu Wort meldet.