Die Zürcher Staatsanwaltschaft war schon früh informiert über eine Aktion, die mutmasslich mit einer globalen Spionageoperation zusammenhängt. Die Strafverfolger wussten nach einer Anzeige Bescheid über einen Hacking-Angriff gegen den Schweizer Peter Hargitay, einen einflussreichen Berater hoher Fifa-Funktionäre.
Heute zeigen Recherchen von «SRF Investigativ», dass Hargitay damals im Visier eines Spionagenetzwerks war, welches im Auftrag des Staates Katar arbeitete. In hochvertraulichen Unterlagen sinnierten die Spione kurz vor dem Angriff über eine globale Rufmordkampagne gegen Hargitay und einen seiner Klienten. Dies war bis zu den SRF-Recherchen nicht bekannt.
Die Spuren im Hacking-Fall führten als erste Station nach Indien zu einer Cyber-Firma. Doch die zuständige Staatsanwältin der Zürcher Cyberstaatsanwaltschaft unternahm wenig, um den Fall aufzuklären. Sie unterliess es etwa, den CEO der für den Hackerangriff infrage kommenden indischen Firma Appin Security, zu befragen.
Fragen bleiben aus
Zunächst hatte sich die Staatsanwältin noch bei dem CEO erkundigt, ob er bereit wäre, Fragen zur Sache zu beantworten. Darauf hatte dessen Anwalt ihr mitgeteilt, sein Klient würde sich schriftlich zu Fragen äussern. Doch die Staatsanwältin liess ihm nie Fragen zukommen. Die Gründe dafür sind unklar. Sie selbst hatte geschrieben, seine Stellungnahme sei «von grosser Bedeutung».
Die polizeilichen Ermittlungen ergaben laut Schlussbericht, dass die Firma Appin Security verdächtigt werden müsse, aus eigener Motivation oder im Auftrag Unbekannter die Hackerattacke gegen Berater Hargitay vorgenommen zu haben.
Die mehrfachen Anträge der Geschädigten, gegen den CEO von Appin ein Strafverfahren zu eröffnen, lehnte die Staatsanwaltschaft ab. Gegen ihn liege kein hinreichender Tatverdacht vor.
Sein Anwalt sagt auf Anfrage von SRF: «Mein Mandant ist ein erfolgreicher internationaler Unternehmer mit gutem Ruf. Er wurde noch nie von Strafverfolgungsbehörden in irgendeinem Land befragt. Er bestreitet ausdrücklich alle Verbindungen zu jeglichen illegalen Aktivitäten.»
Zu einer Befragung des Tech-CEOs kam es nie. Im September 2020, acht Jahre nach dem Hack, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Unbekannt ein, «mangels erfolgsversprechenden Ermittlungsansätzen».
Ob eine Befragung des Appin-Chefs zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, lässt sich nicht sagen. Klar ist, dass entscheidende Fragen offenbleiben.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft schreibt auf Anfrage:
Es besteht kein gesetzlicher Spielraum, einzelne Verfahrensinhalte in diesem rechtskräftig abgeschlossenen Fall mit Ihnen zu diskutieren. [...] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass umfassende aktenkundige Ermittlungshandlungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten geführt wurden.
Aufgrund des ihr bekannten Teils der Verfahrensakten zeige sich, dass es sich um ein Verfahren von internationaler Dimension gehandelt habe, sagt Gunhild Godenzi, Professorin für Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Zürich. Gemessen daran habe die Staatsanwaltschaft sehr wenige eigene Abklärungen getroffen. «Das ist schon ungewöhnlich», stellt Godenzi fest.
Appin-Chef wohnt jetzt in der Schweiz
Die Professorin erachtet es als «problematisch», dass der CEO der Firma nie befragt wurde, obwohl er sich dazu bereit erklärt hatte. Die Staatsanwaltschaft müsse gut begründen können, warum sie ihm nicht als Auskunftsperson Fragen unterbreitet habe. Der Tech-CEO ist mittlerweile in die Schweiz gezogen.
6. November 2022: Diese Publikation wurde aufgrund einer einstweiligen gerichtlichen Verfügung geändert. Der betroffene Unternehmer wurde auf dem Foto unkenntlich gemacht und sein Name aus der Publikation entfernt.