In den Präsidien der zwei grössten Parteien, SVP und SP: vielleicht bald schon Zürcher. Der nächste Grünen-Präsident: fast sicher ein Zürcher. Die Fraktionschefs von FDP und Grünliberalen: ein Zürcher und eine Zürcherin. Und nun also auch an der Spitze der Finanzdirektorenkonferenz: ein Zürcher. Hat da irgendwer was von Zürcher Dominanz gesagt? Der neue FDK-Präsident Ernst Stocker selber jedenfalls nicht.
«Es ist wichtig, dass man Zürich nicht vergisst. Nein, Spass beiseite!» Er nimmt die Zürich-Kontroverse sportlich. Dabei steckt im Spass auch Ernst: Zürich hat das grösste Budget aller Kantone, doch das FDK-Präsidium war seit 50 Jahren nicht mehr in Zürcher Hand. Dass die Finanzdirektoren nun just Stocker wählten, hat Gründe. Zum Einen war ohnehin ein Kanton an der Reihe, der in den nationalen Finanzausgleich einzahlt und nicht daraus Geld bezieht.
Ernst Stocker erfüllt das negative Bild des arroganten Zürchers, das viele haben, nicht.
Vor allem aber: Ernst Stocker sei so ungefähr der Letzte, der Anti-Zürich-Reflexe auslösen könne, sagen viele. Dazu gehört auch die Basler SP-Ständerätin und frühere Finanzdirektorin Eva Herzog, die Stocker von ihrer Tätigkeit in der FDK gut kennt: «Ernst Stocker ist Bauer und wirkt wie einer – im besten Sinn. Er erfüllt das negative Bild des arroganten Zürchers, das viele haben, nicht.» Das habe entscheidend zu seiner Wahl als FDK-Präsident beigetragen.
Als gewieften Vermittler kennt ihn auch die FDP-Fraktionspräsidentin im Zürcher Kantonsrat, die Finanzpolitikerin Beatrix Frey-Eigenmann. Stocker sei «bodenständig, ‹gmögig›, lösungsorientiert. Aber man darf ihn nicht unterschätzen.» Gehe es etwa um unpopuläre Sparideen, lasse der Finanzdirektor anderen den Vortritt: So habe sie das als frühere Präsidentin der Finanzkommission erlebt.
Bauernschläue und Verhandlungsgeschick
Der Zürcher Finanzdirektor bringe auch eine gute Portion Bauernschläue mit, so Frey-Eigenmann. Das sieht Stocker als Kompliment: «Etwas Bauernschläue in der Politik ist nie schlecht. Dafür muss man sich nicht schämen. Das bringt jemanden weiter. Aber vor allem bringt einen weiter, wenn man klug verhandeln und Lösungen finden kann.»
Verhandlungsgeschick bewies Stocker etwa beim Ringen um die Unternehmenssteuerreform: Eigens für seinen Kanton holte er einen Steuerabzug raus, der für manche Zürcher Firmen wichtig ist. Mit seinem Kampf für die Reform stellte er sich allerdings gegen namhafte Exponenten aus der eigenen Partei.
Viermal sei er mittlerweile von der Partei für das Regierungsamt nominiert worden – zuerst übrigens unter dem damaligen Zürcher SVP-Kantonalpräsidenten Alfred Heer, wie Stocker ausdrücklich in Erinnerung ruft. Heer bewirbt sich derzeit als Präsident der Mutterpartei – nicht nur zur Freude von SVP-Doyen Christoph Blocher. Aber das scheint Stocker nicht zu kümmern: Offen rührt er die Werbetrommel für Heer. Das klingt schon fast, als spräche er auch aus eigener Erfahrung.
Ob unterschätzt oder nicht: Stocker möchte Zürcher Finanzdirektor bleiben, auch wenn verschiedene Stimmen ihn immer wieder als chancenreichen Zürcher SVP-Ständeratskandidaten ins Spiel bringen. Und falls der 64-Jährige wider Erwarten doch noch Ambitionen für Bundesbern anmelden würde: Man könnte hinterher immer noch sagen, man habe ihn unterschätzt.
Rendez-vous vom 5.3.2020; gfem