Ein humanitäres Visum ist derzeit für viele Afghaninnen und Afghanen der einzige Weg, um aus dem Land zu kommen. Doch es ist kompliziert, ein solch humanitäres Visum zu bekommen. Für die Schweiz zum Beispiel haben es 230 Angestellte der Schweizer Entwicklungshilfe in Afghanistan und deren engste Angehörige erhalten. Die Juristin Monika Plozza sagt, wie Menschen aus Afghanistan an ein humanitäres Visum kommen können.
SRF News: Wer darf überhaupt ein humanitäres Visum beantragen?
Monika Plozza: Ein humanitäres Visum kann von jeder Person beantragt werden. Es wurde nach 2012 geschaffen, weil das Botschaftsverfahren abgeschafft wurde. Das heisst, dass Personen auch aus dem Ausland einen Antrag auf ein humanitäres Visum stellen können. Es wird aber nur sehr restriktiv ausgestellt. Das Problem ist auch: Mit der Abschaffung des Botschaftsasyls wurden die betreffenden Personen quasi gezwungen, in die Schweiz einzureisen.
Die Personen müssen geltend machen, dass sie unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht sind.
Ein Asylgesuch muss ja im Inland oder an einer Schweizer Grenze gestellt werden. Das kann für vulnerable Personen – Minderjährige, Mütter mit Kindern, ältere Menschen oder Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen – eine unüberwindbare Schwierigkeit darstellen. Deshalb kann mit diesem humanitären Visum bei einer Schweizer Vertretung im Ausland einen Antrag stellen.
Trifft es zu, dass eine Afghanin, die ein humanitäres Visum beantragen möchte, dies nur in Afghanistan tun kann?
Nicht zwingend. Faktisch gibt es hier schon mal eine Hürde: Denn die Schweiz hat keine Auslandsvertretung in Kabul. Das bedeutet auch, dass die Afghaninnen oder Afghanen, die ein humanitäres Visum für die Schweiz beantragen möchten, dies in den Nachbarländern tun müssen. Also etwa in Iran, Pakistan, Usbekistan oder Tadschikistan. Die zweite Hürde sind die besagten, sehr restriktiven Voraussetzungen für die Bewilligung eines humanitären Visums. Die Personen müssen geltend machen, dass sie unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht sind. Und sie müssen eine enge Beziehung zur Schweiz haben.
Was heisst das genau, eine «enge Beziehung» zur Schweiz zu haben?
Das bedeutet, dass die betroffene Person aufzeigen muss, dass sie Familienangehörige in der Schweiz hat. Dazu zählt nur die Kernfamilie, also Ehegatten oder minderjährige Kinder. Diese Personen müssen sich schon lange in der Schweiz befinden und eng mit dem Land verbunden sein. Die zweite Möglichkeit wäre, dass die Person sich in Afghanistan aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit sehr exponiert hat, wenn sie für eine staatliche Organisation – also die Schweiz – gearbeitet hat. Und das unmittelbar bis zur Machtübernahme durch die Taliban.
Wer entscheidet in diesem Fall, ob ein humanitäres Visum gewährt wird oder nicht?
Die schweizerische Auslandvertretung vor Ort prüft den Antrag gemeinsam mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM).
Das Gespräch führte Raphaël Günther.
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