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Flüchtiger Italiener verhaftet Ndrangheta-Verdächtiger arbeitete als Pizzaiolo in Biel

Nach drei Jahren auf der Flucht hat die italienische Polizei einen verurteilten Drogenhändler in der Schweiz aufgespürt.

  • Am Freitag hat die Polizei den Mann verhaftet und in Auslieferungshaft versetzt, das bestätigt das Bundesamt für Justiz (BJ) heute gegenüber SRF.
  • Der Verfolgte wurde von den italienischen Behörden zur Vollstreckung einer Reststrafe von acht Jahren und sieben Monaten unter anderem wegen Betäubungsmitteldelikten und Drohung gesucht, schreibt das BJ.
  • Gearbeitet hat der Mann gemäss SRF-Recherchen in einer Pizzeria in Biel.

Die italienische Polizei feiert die Verhaftung als Schlag gegen das organisierte Verbrechen. Im kalabresischen Ort Gioia Tauro soll der 41-Jährige gelebt haben und dort den 'Ndrangheta-Clans Piromalli und Molè nahestehen, wie der zuständige Carabinieri-Kommandant Massimiliano Corbo in italienischen Medien sagt.

Die italienischen Behörden haben im Februar ein Auslieferungsersuchen nach Bern geschickt. Der Mann müsse gemäss dem Ersuchen eine Reststrafe von acht Jahren und sieben Monaten absitzen, sagt Ingrid Ryser, Informationschefin des Bundesamts für Justiz (BJ). Der Mann befindet sich derzeit in Auslieferungshaft, gegen den Vollzug kann er sich juristisch wehren und den Entscheid auch weiterziehen.

SRF-Recherchen bestätigen die Identität des Mannes. Er arbeitete als Pizzaiolo in einem Restaurant im Zentrum von Biel. Der Mann arbeitete nicht nur als Pizzaiolo, sondern importierte auch Spezialitäten aus Kalabrien, wie Olivenöl, Käse und Salami. In einem Aussenquartier von Biel hat er offenbar Räumlichkeiten gemietet, das zeigt ein Blick auf die Websites des Spezialitäten-Handels.

Aus dem Umfeld des Mannes erfuhr SRF, dass er vor rund drei Jahren in die Schweiz gekommen ist, zusammen mit seiner Frau. Angeblich einzig der Arbeit wegen, von Flucht könne keine Rede sein, sagt eine nahestehende Person. Für Biel hätte sich das Paar entscheiden, weil es dort Bekannte habe. Kinder hätte das Paar keine. Der Mann sei als ehrlicher und gesetzestreuer Arbeiter bekannt. Mit der 'Ndrangheta habe er bestimmt nichts zu tun.

Erster Erfolg von Anti-Ndrangheta-Kooperation

Die italienischen Behörden zeichnen ein ganz anderes Bild des Mannes: Unter anderem sei er mitverantwortlich für Produktion, Handel und Besitz von Drogen, Waffenvergehen sowie auch Drohungen zwischen 2007 und 2015 in mehreren Ortschaften, darunter Pesaro, Ancora und Gioia Tauro, schreiben italienische Zeitungen.

Die Verhaftung vom Freitag in Biel ist gemäss der italienischen Nachrichtenagentur Ansa der erste Fahndungserfolg einer neuen internationalen Zusammenarbeit gegen die organisierte Kriminalität aus Kalabrien, ein Projekt namens «I CAN» (Interpol Cooperation Against 'Ndrangheta). Neben der Schweiz und Italien seien daran auch Länder wie Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Frankreich, Deutschland, USA und Uruguay beteiligt.

Tagesschau, 28.6.2020, 19:30 Uhr

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