Ein Fluglotse des Flughafen Zürichs muss sich heute Dienstag vor dem Zürcher Obergericht verantworten, weil er im Jahr 2011 zwei Flugzeugen gleichzeitig eine Starterlaubnis erteilte, was beinahe zu einem Crash der Maschinen geführt hätte. Die erste Instanz hatte den Fluglotsen noch freigesprochen, die Staatsanwaltschaft hat den Fall aber weitergezogen – und fordert eine Verurteilung wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs.
Der Vorfall im Detail
Es ist der 15. März 2011, kurz vor Mittag, als es zum Fehler kommt: Ein Fluglotse von Skyguide erteilt SWR 1326, einem Airbus der Swiss mit dem Zielflughafen Moskau, Starterlaubnis. An Bord sitzen 127 Passagiere und acht Besatzungsmitglieder. Piste 16 ist für die Maschine freigegeben, die Besatzung quittiert und leitet den Startlauf ein.
Nicht einmal eine Minute später erteilt der Fluglotse einer anderen Swiss-Maschine Starterlaubnis, der SWR 202W mit Ziel Madrid. Es sind 127 Menschen an Bord. Das Flugzeug wartet auf der Startposition auf Piste 28, quittiert nun die Freigabe und leitet ebenfalls den Startlauf ein. Die Piste 28 kreuzt die Piste 16.
Beinahe-Kollision am Flughafen
42 Sekunden später bemerkt die Besatzung SWR 202W die sich von rechts annähernde SWR 1326 und leitet einen Startabbruch ein, knapp zwei Sekunden später kommt der Startabbruch-Befehl auch vom Fluglotsen. Das Flugzeug kommt zum Stillstand, das andere hebt ab, ohne dass von dessen Besatzung die brenzlige Situation überhaupt registriert wird.
Ist es an diesem Märztag vor sieben Jahren beinahe zur Katastrophe am Flughafen Zürich gekommen? Davon geht die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland aus. Durch die Einwirkung von Luftströmen hätte ein Flugzeug ausser Kontrolle geraten können, wenn beide den Start gleichzeitig fortgesetzt hätten, schreibt sie in ihrer Anklageschrift – dies hätte mit grosser Wahrscheinlichkeit Tote und Verletzte zur Folge gehabt. Im schlimmsten Fall hätte es gar zu einer Kollision der Maschinen kommen können.
Gleichzeitig geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Beschuldigte Fluglotse die Sorgfaltspflicht missachtet und seine Aufgabe der ununterbrochenen Beobachtung nicht wahrgenommen hat. Sie fordert wird eine Geldstrafe von 18'000 Franken.
Skyguide sieht Fehlerkultur in Gefahr
Das Bezirksgericht Bülach sah dies im Dezember 2016 anders und sprach den Fluglotsen frei – das komplizierte Betriebskonzept des Flughafens Zürich mit gekreuzten Pisten sei mitverantwortlich für den Zwischenfall. Dies freut Skyguide-Sprecher Vladi Barrosa: «Wir pflegen eine gelebte Sicherheitskultur. Es geht darum, dass Lotsen gemachte Fehler von sich aus melden und sie dann dafür auch nicht bestraft werden, wenn sie nicht fahrlässig oder mutwillig gehandelt haben». Er hofft deshalb auch auf einen Freispruch vor Obergericht.