Auf Blumenplantagen in Afrika arbeiten Zehntausende Pflückerinnen und Pflücker. Wegen des Shutdowns in Europa ist der Absatz der afrikanischen Farmen um über zwei Drittel eingebrochen. Die Folge: Die Angestellten haben viel weniger oder gar keine Arbeit mehr. Allein auf Blumenplantagen, die für Fairtrade Max Havelaar produzieren, arbeiten rund 60'000 Menschen. Die Blumenverantwortliche von Fairtrade Max Havelaar, Melanie Dürr, schildert im Interview mit dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» die Situation der Betroffenen.
SRF Espresso: Frau Dürr, wie geht es den Arbeiterinnen und Arbeitern auf den Blumenplantagen in Afrika?
Melanie Dürr: Die meisten Arbeiter müssen Lohnkürzungen in Kauf nehmen, teilweise bis zur Hälfte. Oder sie werden in unbezahlten Urlaub geschickt oder sogar ganz entlassen. Wenn man die Region Naivasha in Kenia gesamthaft betrachtet, sind dort 50'000 Blumenarbeiterinnen und -arbeiter entlassen worden. Die Gewerkschaften haben dem sogar zugestimmt. Denn wenn man die Farmen zwingt, die Pflückerinnen und Pflücker weiterhin zu bezahlen, gehen sie Konkurs und die Arbeitsplätze sind langfristig verloren.
Ihre dringendsten Probleme sind jetzt Hunger und medizinische Versorgung.
Was bedeutet das für die Angestellten? Staatshilfe wie bei uns erhalten sie ja keine…
Genau. Ihre Löhne ermöglichen es ihnen nicht, etwas für schlechte Zeiten auf die Seite zu legen. Das heisst, ihre dringendsten Probleme sind jetzt Hunger und medizinische Versorgung.
Was hat Fairtrade Max Havelaar unternommen, um bei den Farmen und den Angestellten die Folgen der Corona-Krise zu mildern?
Max Havelaar und Fairtrade International mussten innehalten. Wir mussten weg von Themen wie Gleichstellung von Mann und Frau, Lohnerhöhungen oder Umweltschutz, hin zu tatsächlicher Nothilfe. Das konnten wir mit dem Instrument der Fairtrade-Prämie machen. Diese wird mit jeder Blume direkt an die Blumenarbeiter bezahlt. Diese können demokratisch entscheiden, wie sie die Prämie einsetzen wollen. Bis jetzt wurde sie in Schulbildung für die Kinder, Weiterbildung für die Arbeiter oder in Infrastruktur, wie Brunnen, investiert. Jetzt wird sie zu 100 Prozent in bar oder in Form von Essen direkt an die Arbeiter verteilt. Oder sie wird für Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verwendet. Diese Sonderregelung konnten wir in unserem System einführen, um den Arbeitern direkt und schnell zu helfen.
In allen Kanälen müssen wieder Schnittblumen in grossen Mengen verkauft werden können.
Das ist die kurzfristige Hilfe. Was muss geschehen, damit sich die Situation auf den Blumenfarmen in Afrika langfristig wieder verbessert?
In allen Kanälen müssen wieder Schnittblumen in grossen Mengen verkauft werden können. Es braucht aber auch eine gesteigerte Nachfrage, damit sich die Farmen finanziell erholen und die Arbeitsplätze langfristig gesichert werden können.
Das heisst, was wir Konsumentinnen und Konsumenten dazu beitragen können, ist Blumen zu kaufen…
Genau. So kann man sich nicht nur selber eine Freude machen oder dem Beschenkten, sondern auch wirklich den Arbeiterinnen und Arbeitern vor Ort helfen.
Das Interview führte Oliver Fueter.