Traditionsgemäss werden im Kanton Graubünden vor allem Hirsche, Rehe, Steinböcke und Gämse geschossen. Ein besonderes Augenmerk wurde dieses Jahr jedoch auf die Wildschweine gelegt. Zum ersten Mal wurden die im Misox und im Calancatal geschossenen Tiere auf erhöhte Radioaktivität untersucht.
Erlegt wurden 18 Tiere. Der Grenzwert von radioaktivem Cäsium im Fleisch wurde bei sieben Tieren überschritten.
Nachwehen der Tschernobyl-Katastrophe
Der Grund für die radioaktive Belastung der Wildschweine geht auf die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im Jahr 1986 zurück. Radioaktive Teile wurden mit dem Wind bis über die Schweiz getragen und gelangte mit dem Regen in die Böden.
Besonders Pilze sind noch heute mit radioaktivem Cäsium belastet. So auch Hirschtrüffel, welche von Wildschweinen gerne gefressen werden. Auf diesem Weg gelangt das Cäsium in das Fleisch der Tiere.
Bereits 2001 testete das Bundesamt für Gesundheit Wildschweine auf erhöhte Radioaktivität. Damals wurden die Grenzwerte jedoch nur vereinzelt überschritten. 2013 schreckten Medienberichte aus Norditalien über radioaktiv belastete Wildschweinen die Behörden im Tessin auf. Im Südkanton werden jährlich über 1'000 Tiere geschossen. Seit sieben Jahren gibt es systematische Untersuchungen.
Warum testet Graubünden erst jetzt?
Die Bündner Behörden hätten bisher auf Untersuchungen verzichtet, da die Zahl der im Kanton geschossenen Wildschweine verhältnismässig tief sei, sagt der Bündner Kantonstierarzt Giochen Bearth.
Man sei sich der Problematik um die Radioaktivität bei Wildschweinen bewusst gewesen, sagt Bearth. Untersuchungen im Tessin hätten jedoch gezeigt, dass dort gerade mal fünf Prozent der über 1'000 geschossenen Wildschweine im Jahr übermässig Cäsium aufweisen. Bis zu Beginn der Jagd 2020 sei man davon ausgegangen, dass die Situation im Kanton Graubünden ähnlich ist.
Geografischer und saisonaler «Hotspot»
Vor der diesjährigen Jagdsaison habe man vermehrt erhöhte Cäsiumwerte bei Wildschweinen festgestellt, sagt Giochen Bearth: «Deshalb haben wir gehandelt und entschieden, dass wir dieses Jahr bei sämtlichen Tieren Messungen machen.» Auffällig sei, dass alle Wildschweine mit zu hohen Cäsiumwerten in der ersten Phase der Jagd geschossen wurden.
Ich bin überzeugt, dass wir zu zwei Schlüssen kommen werden: Dass es nämlich einen geographischen und einen saisonalen Hotspot gibt.
Die Erkenntnisse werden nun ausgewertet und einzelne Daten noch verifiziert. «Ich bin überzeugt, dass wir zu zwei Schlüssen kommen werden: Dass es nämlich einen geografischen und einen saisonalen Hotspot gibt», so Bearth.
Die These sei, dass die Böden an der Grenze zwischen den Kantonen Graubünden und Tessin eine besonders hohe Konzentration an Cäsium aufweisen und dort zu einer bestimmten Zeit Pilze wachsen, die auf dem Speiseplan der Wildschweine stehen.