Unerfreuliche Post aus Brüssel: Die EU-Kommission hat kurz vor Weihnachten einen Brief an zehn Schweizer Nichtregierungsorganisationen (NGO) verschickt. Darin stand, dass es künftig keine europäischen Gelder mehr für Schweizer NGOs gibt, die in Krisenregionen humanitäre Hilfe leisten. Betroffen sind Organisationen wie die Caritas, «Médecins Sans Frontières» Schweiz oder auch World Vision. Die EU-Gelder machten im vergangenen Jahr über 50 Millionen Euro aus. Geld das künftig fehlt, wie SRF nun herausgefunden hat.
Die EU gibt für die humanitäre Hilfe für Menschen in Katastrophengebieten jährlich Milliarden aus – eine wichtige Geldquelle auch für Schweizer Nichtregierungsorganisationen. Doch am 21. Dezember des vergangenen Jahres schrieb die EU-Kommission zehn Schweizer NGOs einen Brief: Sie habe die Zusammenarbeit eingehend überprüft und komme zum Schluss, dass die rechtliche Grundlage für diese Zusammenarbeit nicht mehr ausreiche, weshalb die EU-Geldtöpfe ab dem 1. Januar für Schweizer NGOs für neue Projekte geschlossen seien.
Das war ein kleiner Schock. Es kam zwar nicht ganz unerwartet, doch so schnell haben wir damit nicht gerechnet.
Einen solchen Brief hat zum Beispiel Felix Gnehm, Direktor von «Solidar Suisse», erhalten. «Das war ein kleiner Schock, weil das kam nicht ganz unerwartet, weil wir wussten, dass die EU derzeit im Rahmen von Brexit am Überprüfen ist, wie die Kooperation mit Schweizer Organisationen zukünftig sein wird», sagt er und ergänzt: «Aber wir hätten das nicht so schnell, so unmittelbar und so prompt erwartet.»
Bis anhin galt für Schweizer NGOs: Sie mussten sich bei der EU-Kommission akkreditieren und nachweisen, dass sie gewisse Bedingungen erfüllten. Damit hatten sie Zugang zu den EU-Geldern. So bezogen sie jährlich gesamthaft einen zweistelligen Millionenbetrag. Diese Zusammenarbeit wurde so oder so überprüft, aber wie Gnehm geht man in der Schweiz davon aus, dass der Brexit diese Diskussion zusätzlich beeinflusst hat. Dies bestreitet die EU-Kommission; sie gibt sich allgemein ziemlich zugeknöpft. Gegenüber SRF bestätigt sie lediglich den Sachverhalt und betont dabei die juristischen Abklärungen.
In der EU-Verwaltung gab es Streit
Dass der Entscheid gleichwohl einen grösseren politischen Kontext haben könnte, darauf weisen weitere Dokumente hin, die SRF vorliegen. Es gab in der EU-Verwaltung nämlich einen Streit. Auf der einen Seite die Generaldirektion, zuständig für humanitäre Hilfe: Sie wollte die Zusammenarbeit nicht beenden. Auf der anderen Seite der juristische Dienst rund um Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Dieser setzte die harte Haltung durch.
Da liegt die Vermutung eines politischen Kontexts nahe und dass die EU-Kommission als Folge des Brexit auch die Zusammenarbeit mit der Schweiz neu gestaltet. In diesem Fall die Zusammenarbeit mit Schweizer Nichtregierungsorganisationen.