Es gibt sie im Mittelland an diversen Orten, auf dem Feld, auf dem Dorfplatz, im Wald: Findlinge. Die grossen Steinblöcke aus der Eiszeit, die per Gletscher aus den Alpen ins Mittelland transportiert wurden. Zum Beispiel die «Grosse Flue» in Steinhof im Kanton Solothurn, einer der drei grössten Findlinge in der Schweiz.
Die riesigen Steine erzählen von der Vergangenheit, aber sie sind mehr als das. Sie sind ein besonderer Lebensraum, der nur auf Findlingen möglich ist. Hier wachsen Alpenmoose, die sonst nicht im Mittelland wachsen.
Ein Besuch beim grössten Findling im Mittelland, auf der «Grossen Flue» in Steinhof, zeigt die Vielfalt der Moose. Der Fels wurde während der Eiszeit mit dem Rhonegletscher 180 Kilometer weit aus den Walliser Alpen ins Mittelland transportiert.
Auf dem sieben Meter hohen und 3500 Tonnen schweren Findling gibt es zum Beispiel graues Kissenmoos oder Hedwigsmoos. Pflanzen, die im Mitteland nur auf Findlingen wachsen können.
Botaniker Daniel Hepenstrick hat 160 Findlinge im Mittelland untersucht. Erst gerade hat er den Doktortitel der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH für seine Forschungsarbeit über die Flora auf Findlingen erhalten.
Findlinge sind wie Inseln für die Moose.
«Das Spannende an den Findlingen ist, dass sie Inseln für die Moose sind. Auf den Findlingen aus Granitgestein wachsen Moose, die sonst nur in den Granitbergen wachsen. Auf den Kalkgesteinen im Mittelland kommen sie nicht vor», erklärt der Forscher. Die Alpenmoose können auf dem Kalkstein gar nicht wachsen, sie benötigen Granitgestein aus den Alpen.
Sporen fliegen aus den Alpen ins Mittelland
Doch wie kommen die Moose auf die Findlinge? Daniel Hepenstrick hat in seiner Forschungsarbeit Erstaunliches herausgefunden: Die Moose kommen direkt aus den Alpen zu uns und wandern nicht etwa von Findling zu Findling weiter.
«Die Moose in den Alpen produzieren so viele Sporen, dass diese über die Luft auf die Findlinge im Mittelland gelangen. In unserer Luft hat es eine Art Sporenwolke. Diese wird zu uns geblasen, die Sporen rieseln konstant auf die Erde». Treffen sie zufällig auf einen Findling, wächst das Moos. Landen sie auf anderen Steinen, passiert nichts.
Diese Erkenntnis des Schweizer Forschers ist neu. Die «Grosse Flue» sei mit Blick auf das Wachstum der Moose ein Rekordhalter, sagt Forscher Daniel Hepenstrick: «Es ist der artenreichste Findling, mit 36 Moosarten. Acht davon sind Findlingsspezielle Moose, das ist Rekord».
Das ist der artenreichste Findling, mit 36 Moosarten.
Forscher Daniel Hepenstrick hat die Moose auf den Findlingen bestimmt und kleinste Moosteile im Labor genetisch analysiert. So gelangte er zu seinen Ergebnissen. Gerade weil die Moose auf Findlingen selten und wertvoll sind, setzt sich Hepenstrick für den Schutz derer ein. Zwar stehen im Kanton Solothurn alle Findlinge seit 1971 unter Schutz. Allerdings ist Klettern darauf erlaubt, was den Moosen schadet.
Dort, wo geklettert wird, sind keine Moose mehr zu finden, nur «nacktes» Granitgestein. Besonders schädlich für die Moose sei Magnesia, das manche Kletterinnen und Kletterer für die Hände verwenden, sagt Hepenstrick. Er hofft, dass er bei Kletterern und Gemeindearbeitenden das Bewusstsein für die seltene Flora auf Findlingen fördern kann. Schiesslich möchte er zu den artenreichen Inseln im Mittelland Sorge tragen.