Das Wichtigste in Kürze
- Da machen die Pharma-Unternehmen ein gutes Geschäft: Einen eigentlich günstigen Prostata-Wirkstoff verkaufen sie als Mittel gegen Haarausfall um ein Vielfaches teurer.
- Begründet wird die Preisdifferenz mit «Marktgegebenheiten».
- Während sich Arztpraxen und Apotheken immer wieder mit kritischen Fragen von Patienten konfrontiert sehen, unternehmen die zuständigen Behörden wenig.
Finasterid ist Männersache: Der Wirkstoff hilft bei Beschwerden wegen einer gutartig vergrösserten Prostata, und er kann beim Mann altersbedingten Haarausfall verhindern. Im ersten Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten, bei der Behandlung von Haarausfall müssen Patienten selbst bezahlen.
Und das geht ins Geld: Wer den Haarausfall ein Jahr lang mit dem Wirkstoff Finasterid behandeln will, muss dafür rund 800 Franken bezahlen. Dabei ist der Wirkstoff günstig: Wenn er zur Behandlung von Prostata eingesetzt wird, kostet er einen Bruchteil.
Über zehnmal teurer
Und so kommt der grosse Preisunterschied zustande: Für beide Indikationen (Prostata und Haarausfall) gibt es verschiedene Medikamente verschiedener Hersteller. Die Original-Präparate werden von MSD (Merck Sharp & Dohme) vertrieben.
- Proscar (5mg Finasterid): Bei Prostatavergrösserung
- Propecia (1mg Finasterid): Bei Haarausfall
Auf dem Markt sind für beide Medikamente auch Generika erhältlich, etwa von den Herstellern Sandoz und Mepha. Und es gibt Hersteller, die nur entweder oder anbieten. Was aber bei allen Medikamenten auffällt, ist der Preis. So kosten 100 Stück der grossen 5mg-Tabletten zur Behandlung einer vergrösserten Prostata knapp 80 Franken.
100 Stück der kleineren 1mg-Tabletten zur Behandlung von Haarausfall kosten in der Apotheke gut und gerne 250 bis 300 Franken. Mit anderen Worten: Der gleiche Wirkstoff kostet über zehnmal mehr, wenn er gegen Haarausfall eingesetzt wird.
«Marktgegebenheiten» bestimmen Preis
Tatsächlich sind Hersteller und Vertreiber von Medikamenten frei in der Preisgestaltung, wenn die Präparate nicht kassenpflichtig sind.
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» möchte von den Herstellern wissen, wie sie die grossen Preisunterschiede begründen. Antwort kommt lediglich von Mepha und Sandoz. Mepha nennt «Marktgegebenheiten», Sandoz verweist auf gesetzliche Bestimmungen und darauf, dass es sich bei den Medikamenten gegen Haarausfall um nicht kassenpflichtige Medikamente handle.
Kritik aus Basel bislang ohne Wirkung
Einer, der die teuren Finasterid-Präparate gegen Haarausfall seit Jahren öffentlich kritisiert, ist Christoph Steiner, Geschäftsführer der Holbein-Apotheke in Basel. «Dass diese Medikamente zugelassen werden, ohne dass jemand die viel zu hohen Preise hinterfragt, finde ich einen Skandal.»
Steiner wurde bereits vorstellig bei verschiedenen Stellen des Bundes – unter anderem beim Preisüberwacher und bei der Weko. Bislang ohne Erfolg.
Behörden sehen keinen Handlungsbedarf
Auch auf Anfrage von «Espresso» teilen Preisüberwacher und Weko mit, im Moment nichts zu unternehmen. Der Preisüberwacher schreibt, «ein Eingriff der Preisüberwachung ist an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebunden und kann nur erfolgen, wenn kein wirksamer Wettbewerb herrscht». Da es im vorliegenden Fall aber verschiedene Produkte gebe, könne von einem wirksamen Wettbewerb ausgegangen werden.
Das BAG teilt mit, es könne sich zu den Preisen der Haarausfall-Medikamente nicht äussern, da diese nicht auf der Spezialitätenliste aufgeführt seien.