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Franziskus in Genf Der Papst kam wohl ohne Gastgeschenk

Die Schweiz ist im Papst-Fieber. Streng genommen besucht Franziskus aber nicht die Eidgenossen, sondern den Weltkirchenrat. Bei der Ökumene orientiert sich der Papst an einem Basler Professor.

Wäre der Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) nicht in Genf sondern in Gent, würde Papst Franziskus heute nach Belgien fliegen und nicht in die Schweiz. Doch ähnlich wie die Vereinten Nationen ist am Genfer See ein Forum der Kirchenpolitik entstanden, das wahlweise ÖRK oder auch Weltkirchenrat genannt wird.

«Papst-Besuch ist Geschenk genug»

Das Gremium hat 348 Mitgliedskirchen mit insgesamt rund 500 Millionen Gläubigen. Von klassischen Kirchen der Reformation bis hin zu orthodoxen Kirchen und Freikirchen sind die wichtigsten christlichen Gemeinschaften Mitglied. Mit einer Ausnahme: der römisch-katholischen Kirche.

Schon vor Wochen räumte der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch mit dem Gerücht auf, Papst Franziskus werde, quasi als Gastgeschenk, in Genf die ÖRK-Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche beantragen. «Die Anwesenheit des Papstes ist Geschenk genug», sagte Koch.

Streit wegen Frauen, Schwulen und Lesben

Tatsächlich beschert der Papst-Besuch dem ÖRK eine Aufmerksamkeit, wie er sie schon lange nicht mehr hatte. Zu Zeiten des Kalten Krieges war der Weltkirchenrat ein wichtiges diplomatisches Drehkreuz zwischen Ost und West. In der Hochphase der Apartheid in Südafrika fand der ÖRK deutliche Worte. Ansonsten verliert der norwegische Generalsekretär Olav Tveit regelmässig den Kampf um Aufmerksamkeit.

In den Medien ist der ÖRK eigentlich nur noch, wenn skurrile Mitgliederkirchen von sich reden machen. Oder wenn es Streit gibt, etwa über die Rolle von Frauen in den Religionen oder die Stellung von Schwulen und Lesben.

Gemeinsam gegen den Klimawandel

Die Konfliktthemen werden heute beim Papst-Besuch aber ausgeklammert. Der 70. Geburtstag des ÖRK ist wie eine Hochzeitsfeier – man spricht nicht schlecht über die Braut am Tag des Jaworts. Stattdessen versichert man sich der ökumenischen Liebe.

Dabei ist die nicht so intensiv, wie sie sich manche von dem vergleichsweise aufgeschlossenen Papst Franziskus erhofft hatten. Gewiss, Franziskus weiss, dass die Probleme aus der Reformationszeit Schnee von gestern sind und die Kirchen in Zeiten von Klimawandel, ertrinkenden Flüchtlingen und Hungerkatastrophen an einem Strang ziehen müssten.

Argentinischer Tango-Tänzer: vor und zurück

Aber Franziskus gibt auch in Ökumene-Fragen manchmal den argentinischen Tänzer von Tango oder Cha-Cha-Cha, der nicht nur Schritte nach vorne geht, sondern auch wieder zurück tänzelt. In der Frage, ob Protestanten in bestimmten Fällen an der Eucharistie – dem katholischen Abendmahl - teilnehmen dürfen, pfiff der Vatikan unlängst die deutsche Bischofskonferenz zurück. Tempo in Sachen Ökumene fühlt sich anders an.

Und trotzdem gibt es viele Anzeichen, dass der Papst auch ökumenisch Geschichte schreiben will. Immer wieder spricht er von einer «versöhnten Verschiedenheit». Will heissen: Die Kirchen müssen nicht fusionieren, sondern bereichern sich gegenseitig.

Basler Professor: Einheit in Vielfalt

Intellektuelles Vorbild in Sachen Ökumene ist für den Papst der Theologe Oscar Cullmann (1902–1999), langjähriger Professor an der Uni Basel. Wie Papst-Kenner Jürgen Erbacher schreibt, entwickelte Cullmann ein Modell der kirchlichen Einheit, «die nicht trotz Diversität, sondern gerade durch Diversität entsteht».

Dies fordere auch die Bibel. «Wer den Reichtum der Fülle des Heiligen Geistes nicht respektiert und Uniformität will, sündigt gegen den Heiligen Geist», schrieb Cullmann. Wer im Geiste der Vielfalt sein Papstamt ausübt, dürfte das Tempo in Sachen Ökumene vielleicht doch noch erhöhen. Vielleicht bringt Franziskus ja doch noch ein kleines Gastgeschenk nach Genf mit.

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