Burgfrieden in Bundesbern: Der 5. Dezember 2018 wird in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem zwei Frauen spielend die Wahl in den Bundesrat geschafft haben. Als Tag der grossen Einigkeit. Keine Spielchen, keine Störmanöver, keine Überraschung. In diesen Bundesratswahlen haben sich alle Parteien an die offiziellen Kandidatentickets gehalten. Obwohl in einem Jahr die nationalen Wahlen anstehen. «Dieser Burgfrieden ist ein Zeichen dafür, dass bei Bundesratswahlen wieder Normalität einkehrt», sagt Marc Bühlmann, Politologie-Professor an der Universität Bern.
(K)eine Frage des Geschlechts: Kommentatoren sprachen gestern von einem historischen Moment. Denn erstmals wurden zwei Frauen gleichzeitig in die Landesregierung gewählt. Auch im Bundesrat wird der Frauenfrage Bedeutung zugemessen. Doris Leuthard sagte im Mai diesen Jahres, zwischen 2010 und 2011 sei das Gremium mutiger gewesen. Damals waren die Frauen erstmals in der Geschichte in der Überzahl im Bundesrat. Nun sitzt immerhin eine dritte Frau in der Landesregierung. Bühlmann relativiert allerdings: «Innerhalb der Gruppe spielen die individuellen Charaktere eine grössere Rolle als das Geschlecht.»
Der Bundesrat ist nicht allmächtig: Als Beispiel für den neuen Mut in der Landesregierung nannte Leuthard den Atomausstieg. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima setzte aber in einigen Ländern ein Umdenken ein. Bühlmann sagt denn auch: «Es ist auch eine Frage des politischen und gesellschaftlichen Kontextes, der mutigere Entscheide zulässt.» Schliesslich könne der Bundesrat auch gar nicht so viel bewegen, wie man gemeinhin glaube: «Er kann vom Parlament gebremst werden.» Das Paradebeispiel für die beschränkte Macht des Bundesrats ist derzeit das Rahmenabkommen mit der EU: «Der Bundesrat muss auf viele Seiten und Interessen Rücksicht nehmen.»
Eine neue Gruppendynamik: Mit Viola Amherd und Karin Keller-Sutter werde es aber eine neue Dynamik im Gremium geben, glaubt Bühlmann. Beide Frauen bringen eine eigene geographische und politische Beheimatung mit in die Landesregierung. Bühlmann rechnet jedoch nicht damit, dass die Oberwalliserin CVP-Frau Amherd nun zur glühenden Verfechterin der Bergkantone wird: «Sobald man im Bundesrat ist, nimmt man in der Regel nicht mehr gross Rücksicht auf seine Herkunftsregion.»
Keller-Sutter wiederum hat angekündigt, eine Aufweichung des Lohnschutzes bei einem allfälligen Rahmenabkommen nicht hinzunehmen. Zumindest rhetorisch grenzt sich die FDP-Frau damit von Johann Schneider-Ammann, einem klassischen Wirtschaftsliberalen aus einer anderen Generation, ab: «Es wird eine neue Diskussion in der Europapolitik geben», prognostiziert Bühlmann. Die erfahreneren Bundesräte könnten in der neuen Zusammensetzung mehr Verantwortung übernehmen: «Und wer neu ins Gremium kommt, kann frischen Wind hineinbringen.»