Trotz grosser Lawinengefahr befahren Freerider im Gebiet Gornergrat bei Zermatt einen Steilhang – und geraten in eine Lawine. Drei von ihnen sterben, einer wird verletzt geborgen. Der Bergführer Bruno Hasler kennt die Umstände, wie es zu solchen Unglücken kommen kann.
SRF News: Wie ordnen Sie das Lawinenunglück mit drei Toten in Zermatt ein?
Bruno Hasler: Ein solches Unglück ist immer eine grosse Tragödie, vor allem für die betroffenen Familien. Es ist aber auch so, dass Freerider – oder Variantenfahrer – auch bei erheblicher oder grosser Lawinengefahr immer wieder in freiem Gelände unterwegs sind.
Die Lawinenwarnungen sind in Echtzeit auf dem Handy verfügbar. Im Skigebiet gibt es überall aktualisierte Warntafeln. Wieso begeben sich Freerider trotzdem in die potenziell gefährlichen Hänge?
Bei einem solchen Hang kommt es auch darauf an, ob er während der Schneefälle immer wieder befahren wurde – oder eben nicht. Im ersten Fall ist die Lawinengefahr dort weniger gross als im Lawinenbulletin angekündigt.
Eine Einschätzung der tatsächlichen Gefahr ist sehr schwierig.
Wenn aber niemand in dem Hang unterwegs war, das Wetter schöner wird und sich Leute in den Hang begeben, ist die Lawinengefahr grösser. Eine Einschätzung der tatsächlichen Gefahr ist sehr schwierig und nur vor Ort möglich – wenn man das Gebiet kennt.
Der betreffende Steilhang in Zermatt liegt mitten im Skigebiet, er ist von der Gondelbahn oder von der Piste aus einsehbar. Vermittelt das womöglich eine falsche Sicherheit?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber was sicher ist: Wenn man von der Bahn oder von der Piste aus ein solches Gelände einsehen kann, kann man auch die Gefahr grundsätzlich besser einschätzen, ob man den Hang befahren kann oder nicht.
Die Lawinengefahr in Zermatt war zum Unglückszeitpunkt «gross». Der frühere Zermatter Rettungsschef Bruno Jelk sagte, er begreife nicht, wie sich Leute bei solchen Bedingungen ausserhalb der Piste aufhalten können. Was sagen Sie dazu?
Ich bin nie vor Ort gewesen und kann den konkreten Fall nicht einschätzen. Bruno Jelk dagegen ist aus Zermatt und kann das besser einschätzen. Ein Blick in die Statistik zeigt immerhin, dass die Zahl der beim Varianten-Skifahren tödlich verunglückten Personen in etwa stabil ist: In den letzten zehn Jahren gab es im Schnitt rund zehn Todesfälle pro Jahr, 2023 waren es sieben Todesopfer. Man kann also nicht sagen, dass die Freerider zunehmend höhere Risiken eingehen.
Das Gespräch führte Peter Hanselmann.