- Für den Tourismus in Engelberg sind Freerider aus Schweden nach den Schweizern die zweitgrösste Gästegruppe in der Wintersaison. Oftmals auch nur für ein Wochenende.
- Seit Jahrzehnten gilt der Ferienort für viele Schweden als Freerider-Paradies.
- Dieses Image fördert Engelberg-Titlis Tourismus gezielt – unter anderem mit Werbefilmen, die oft abseits der Piste gedreht wurden.
Schwedische Skifahrer lieben das Variantenskifahren abseits der Piste. Viele reisen sogar nur für einen Wochenendausflug in die Schweizer Berge, häufig nach Engelberg (OW). Im Rekordjahr 2015 verzeichnete das Klosterdorf 11‘000 Übernachtungen von schwedischen Gästen.
Die über vierstündige Reise – davon zweieinhalb Stunden im Flugzeug ab Stockholm – scheint die Schweden nicht abzuhalten: «Wir sind am Sonntagabend bis 16 Uhr in Engelberg und am Montagmorgen trotzdem pünktlich im Büro», sagt ein schwedischer Freerider. Er sucht zusammen mit seinen Freunden übers Wochenende den Kick im Pulverschnee.
Trendsetterin: Schwedische Profi-Freeriderin Rapaport
Schwedische Filmer und Fotografen aus der Freeride-Szene haben in den 1990er Jahren den Ferienort mit spektakulären Bildern in ganz Skandinavien bekannt gemacht. Ein Aushängeschild der Freundschaft zwischen Schweden und Engelberg war die schwedische Profi-Freeriderin Matilda Rapaport. Sie lebte lange im Ort.
Ihre teils professionellen Videos von Abfahrten durch den Pulverschnee locken ihre Landsleute an. Allerdings kam Rapaport erst 30-jährig diesen Sommer in den chilenischen Anden ums Leben – ausgerechnet bei einem Videodreh geriet sie in eine Lawine.
Freeriding als Gratwanderung
Dennoch suchen viele Schweden in Engelberg den Kick abseits der Pisten. Ein schwedischer Freerider am Titlis spricht gegenüber der «Rundschau» von einem regelrechten Trend: «Die Menschen bei uns wollen wieder hinaus in die Natur, sie wollen den Wind spüren, die Kälte, die Gefahr und den Pulverschnee.»
Für den Tourismus in Engelberg sind die schwedischen Freerider nach den Schweizern die zweitgrösste Gästegruppe in der Wintersaison. Engelberg-Titlis Tourismus setzt deshalb weiter auf Werbevideos mit professionellen schwedischen Freeridern, um noch mehr Schweden anzulocken.
Das ist eine Gratwanderung, wie Frédéric Füssenich, Direktor der Engelberg-Titlis Tourismus AG, einräumt. Denn mit den Videos, viele davon abseits der Pisten gedreht, werden die schwedischen Freerider angetörnt – und sie suchen dann genau dieses Erlebnis am Berg. Etwa fünf Prozent der Rettungseinsätze im Titlisgebiet werden von unvorsichtige Freerider ausgelöst.
Günstiger als Schweden
Christoph Bissig, Rettungschef am Titlis, ist denn auch besorgt über manchen Wochenend-Ausflügler aus dem hohen Norden: «Wer mit diesem Freeride-Leistungsdruck in so kurzer Zeit von Stockholm ins hochalpine Umfeld katapultiert wird, kann die Lage oft nicht mehr richtig einschätzen.»
Aber die Schweden lieben «ihr» Engelberg: Auch Hampus und seine Freundin Pernille lockt die Fahrt abseits der Piste. «Wenn wir in Schweden Skifahren wollen, ist das für uns teurer als die Reise nach Engelberg», sagt Pernille. Sie reiste bereits zum 35. Mal nach Engelberg. «Uns fehlen in Schweden diese Berge, und es wird viel schneller dunkel.»